03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
nahetreten, Ma’am, aber eine Lüge wird das auch.«
»Sie müssen es wissen. Machen Sie sich noch immer Vorwürfe? Nach all den Jahren?«
»Das wird nie aufhören.« Doch diese Antwort hatte er für sich behalten.
Seine Muskeln krampften noch mehr.
Der weiße Kühlschrank wirkte wie ein bleicher Geist im Dämmerlicht, in das die Küche getaucht war. Gillespie machte ihn auf und betrachtete den Inhalt: ein Päckchen mit amerikanischem Scheibenkäse, ein Viertelliter abgelaufene Milch, ein Schokoladenpudding im Becher und sechs Dosen Pacifico-Bier.
Vielleicht sollte er noch einige Lebensmittel auf die fiktive Liste von Erledigungen für dieses fiktive Wochenende setzen.
Gillespie holte ein Bier heraus, drückte den Kühlschrank mit der Schulter wieder zu und machte die Flasche auf. Er warf den Verschluss in den übel riechenden Mülleimer neben dem Kühlschrank – eine weitere Aufgabe fürs Wochenende – und ging ins Wohnzimmer zurück.
Dort machte er es sich auf der Couch bequem. Er nahm einen großen Schluck aus der gekühlten Flasche. Das Bier schmeckte himmlisch eisig und bitter, tat aber nichts dazu, die düsteren Gedanken zu vertreiben, die sich wie ein Grizzlybär durch einen Berg von Steaks in sein Bewusstsein fraßen.
Goodnight und Thibodaux waren nicht die Einzigen, die angelogen worden waren.
Er war verdammt sicher, dass man auch ihn belogen hatte.
»Wir haben keine Ahnung, was schiefgelaufen ist. Aber wir haben eine Situation, die bereinigt werden muss.«
Das stimmte nicht. Sie wussten genau, was schiefgelaufen war. Vielleicht hatten sie es nicht erwartet, aber was passiert war, konnte kein Geheimnis sein.
Ein FBI -Agent war getötet worden, und zwei weitere Agenten – beide mit makellosen Karrieren, eine von ihnen sogar eine Heldin – schienen etwas mit diesem Tod zu tun zu haben. Prejean war mit seiner Band in der Stadt gewesen. Underwood zufolge hatten er und seine Band die Nacht vor dem Mord an Rodriguez in der Wohnung von Agent Heather Wallaces verbracht.
Dante Prejean – ein Blutgeborener.
In Gillespies einundzwanzigjähriger Laufbahn als Gesetzeshüter, von denen er die letzten zehn Jahre bei der Schattenabteilung verbracht hatte, war er nie einem echten Blutgeborenen begegnet. Natürlich hatte er keine Ahnung von der Existenz von Vampiren gehabt, bis ihn die Schattenabteilung beim FBI rekrutiert hatte. Dann hatte er erfahren, dass es nicht nur Vampire gab, sondern dass diese auch eine wichtige Rolle in der Infrastruktur des Landes spielten.
Diese Tatsache hatte er nie leicht zu verdauen gefunden, selbst dann nicht, als er mit engagierten Vampiren wie Goodnight zusammengearbeitet hatte.
Was verbarg sich nur hinter diesem Bad-Seed-Projekt, und wie zum Teufel war ein Blutgeborener Teil eines gemeinsamen Spezialprogramms geworden? Soweit Gillespie das wusste, waren Blutgeborene ausgesprochen selten und schwer zu fassen.
Wenn Prejean ein markierter und ständig unter Beobachtung stehender Proband einer Studie über Psychopathen gewesen war, wieso in Gottes Namen hatte man ihm dann erlaubt, auf freiem Fuß zu bleiben?
Wie viel stimmte eigentlich an der ganzen Geschichte nicht?
Underwoods Worte hallten in Gillespies Kopf wider:
»Wenn Goodnight erfährt, dass Prejean ein Blutgeborener ist, zögert sie vielleicht im entscheidenden Moment und ermöglicht es ihm so, zu entkommen.«
»Die Schattenabteilung bedeutet ihr alles, Ma’am. Sie ist eine sehr engagierte Agentin.«
»Das war Wallace auch – und Lyons. Bis sie Dante Prejean kennenlernten.«
»Wenn Prejean eine derart starke Wirkung auf Sterbliche hat, Ma’am, dann klingt das eher so, als stünde Thibodaux und nicht Goodnight in Gefahr, Prejean laufen zu lassen. Wenn ich sie warnen würde …«
»Nein . Die Angelegenheit Prejean ist als geheim eingestuft. Ihre Agenten müssen nur wissen, dass sie einen gefährlichen Killer fangen sollen – bezeichnen Sie ihn doch einfach als verbesserte Version, die schneller als gewöhnlich ist – sowie zwei korrumpierte FBI -Leute.«
»Ma’am, ich würde meinen Leuten lieber die Wahrheit sagen …«
Underwood lacht. Es klingt warm wie Flanell an einem kalten Tag. Amüsiert. Als sie weiterspricht, behält ihre Stimme diesen Ton bei: »Das letzte Mal, als Sie sich nicht an die Anweisungen hielten, mussten drei Agenten dafür mit dem Leben bezahlen. Ich bin sicher, Sie möchten das nicht wiederholen.«
Die Anspannung ließ seine Muskeln noch härter werden. Gillespie war nicht
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