03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
eine Sperrzone betrifft, aber eine ganz andere, dabei sein Leben aufs Spiel zu setzen. Das sollte abschreckend genug wirken.«
Kaplan biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab.
Gillespie wartete, ob sie ihre Pflichten als Agentin mit ihrem Gewissen in Einklang zu bringen vermochte. Insgeheim wünsch te er sich, das wäre so einfach, wie einen iPod mit iTunes zu synchronisieren – und dass es gar nicht nötig wäre. »Passen Sie auf, dass niemand hereinkommt, und dann müssen Sie sich darüber gar keine Gedanken machen«, fügte er leise hinzu.
Kaplan sah ihn aus grauen Augen aufmerksam an – grimmig, aber ruhig. »Verstanden.« Sie drehte sich um und verließ das Haus.
Gillespie strich sich mit einer Hand über den Schädel. Seine kurzen Stoppel fühlten sich weich an. Was würde passieren, wenn die Techniker und Wissenschaftler nicht herausfanden, was tatsächlich auf dem Grundstück zwischen einer Satellitenaufnahme und der nächsten passiert war?
Haus. Kein Haus.
Was war mit den Lichtern am Himmel? Hatten die überhaupt etwas mit dem Vorfall zu tun?
Was, wenn sie Prejean, Wallace oder Lyons nie fanden? Was, wenn die drei einfach wie D. B. Cooper und sein Geld Teil des Strafverfolgungsmythos wurden und sich auch das Geheimnis der Höhle und der Statuen nie würde lüften lassen?
Er würde es verkraften, wenn Wallace und Lyons ihrer Strafe entkamen. Es würde ihm missfallen, aber er könnte damit leben. Aber Prejean … das war etwas ganz anderes.
Die Erinnerung an Rodriguez, der tot in seinem blutverspritzten Arbeitszimmer auf dem Boden lag, während sein Kaffee in dem Becher mit dem Wort »Morgenmuffel« kalt wurde, quälte ihn und würde ihn wohl auch nie mehr loslassen.
Dieses Geheimnis musste gelöst werden, die Verdächtigen – Sterbliche und Vampire – mussten gefunden und die Toten gerächt werden. Doch dazu brauchte er erst mehr Informationen. Was verschwieg Underwood?
Er klopfte auf seine Jacke, in deren Innentasche die Disk steckte. Vielleicht war sie das Brecheisen, das er brauchte, um Underwood dazu zu bringen, die Wahrheit auszuspucken.
Er sehnte sich nach einem kühlen Pacifico-Bier mit einer Scheibe Limette im Flaschenhals, während er aus dem Haus ging und sich wieder dem Märzregen stellte.
12
FÜR IMMER UND EWIG
An einem unbekannten Ort · Elf Jahre zuvor
»Dante? Dante-Engel? Wach auf. Bitte wach auf.«
Chloes Stimme dringt in Dantes Bewusstsein, als berühre sie ihn mit zarten Fingern im Gesicht. Sie klingt leise, verängstigt und heiser, als hätte sie immer wieder das Gleiche gesagt.
Papa Prejeans Bass schießt ihm durch den Kopf: »Ach … Ist das nicht niedlich? Wie ihr euch gegenseitig vor dem schützen wollt, was sowieso kommt.«
Dante öffnet die Augen. Chloes tränennasses Gesicht ist direkt vor ihm. »Dante-Engel«, sagt sie mit gepresster Stimme und wischt sich mit dem Handrücken die Tränen ab.
»Was ist los, Prinzessin? Alles klar?« Seine Worte hören sich seltsam undeutlich an, seine Stimme ist belegt. Er hat nicht den Eindruck, nach Sonnenuntergang aufzuwachen, ausgeruht und heißhungrig, sondern es kommt ihm eher so vor, als wäre es kurz vor Sonnenaufgang, wenn das Bedürfnis zu schlafen so heftig wie ein Wasserfall auf ihn einstürzt und er kaum mehr die Augen offen halten kann.
Hinter Chloe sieht er eine weiße Zimmerdecke statt des düsteren Raums in Papa Prejeans Keller. Er spürt auch keine Metallringe um seine Handgelenke, riecht keine feuchten Steinfliesen oder verschimmelte Kartons oder den moschusartigen Geruch der Perversen, die ihn immer im Keller besuchen kommen.
»Wo sind wir?« Dantes Augen schließen sich zitternd, er kann sie nicht lange offen halten. Er weiß, dass etwas nicht stimmt und dass sich er und Chloe an einem fremden Ort befinden. Gleichzeitig scheint er wie Rauch zu sein, der jeden Augenblick wieder verfliegen kann. Kurz vorm Einschlafen. »Hat uns Papa Prejean hergebracht? Hat dir dieses Arschloch wehgetan?«
»Nein«, wispert Chloe. »Nicht Papa Prejean. Die Frau mit dem Hündchen, und sie hat nicht mir, sondern dir wehgetan, Dante-Engel.«
Ihre Worte lösen eine Welle der Erinnerungen in seinem Gedächtnis aus, und auf einmal laufen unzählige Bilder vor seinem inneren Auge ab. Er sieht, wie sie aus Papa Prejeans Haus laufen, über den feuchten Rasen im Park rennen. Er sieht, wie der kleine Jasper mit der Leine um den Hals vor ihnen hin und her tanzt und seine Pfoten auf Chloes Schultern stellt. Er sieht ihr
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