03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
sich in Chloes Arm.
Die Blutlache, die Chloe umgibt, gleitet von dem kalten Beton fort, zieht sich in Tropfen zusammen und rollt über ihre Haut. Auch ihre Haare sind nicht länger blutdurchtränkt, denn das Blut läuft wieder in ihre zerrissene Kehle zurück. Die Wunde schließt sich und verschwindet, als hätte es sie nie gegeben.
Dantes scharfe Fingernägel haben Chloes weichen Hals nie berührt. Farbe kehrt in ihre Wangen zurück, Sommersprossen zieren wieder ihre Nase. Sie setzt sich auf, die himmelblauen Augen geweitet und verängstigt, aber nicht mehr ausdruckslos und leer.
Er nimmt sie und drückt sie an sich. Sie ist in seinen Armen, warm und wirklich. Es ist nie geschehen. Er hat sie nie ermordet. Es ist nie geschehen und wird auch nie sein.
Schmerz schlug wie Messingfäuste gegen Dantes Geist. Sein Lied zersplitterte und verteilte sich, ehe das komplexe Ineinander und Aneinander von Noten vollendet war.
»Es wird dir nicht gelingen.«
Dante küsste Chloes Stirn. Er schmeckte Blut, das an seinen Lippen kleben blieb. Der Hunger regte sich in ihm, und wieder wehrte er sich erfolgreich dagegen. Er atmete das süße Aroma von Erdbeeren und Seife.
»Wach auf, Prinzessin«, flüsterte er.
Ein Schauer lief Heather über den Rücken und breitete sich eiskalt in ihr aus, als sie die Musik vernahm, die einen Pulsschlag lang gegen ihr verheiltes Herz schlug und dann wieder verschwand. Sie starrte auf das Kind in Dantes Armen.
Guter Gott …
Die Augen des Mädchens richteten sich auf Dante. Sie waren nicht mehr ausdruckslos und leer, aber auch nicht mehr jadegrün. Sie waren himmelblau. Langes rotes Haar flatterte über ihr Gesicht, das von Sommersprossen übersät war. Getrocknetes Blut befleckte ihre helle Haut, doch Heather zweifelte keinen Augenblick lang daran, dass die Wunden in der Stirn und am Hinterkopf des Kindes geheilt waren.
»Ich heiße Violet, nicht Prinzessin«, sagte es.
Dante hob den Kopf und schleuderte sein Haar aus dem Gesicht. Ein Lächeln zeigte sich auf seinem Mund. »Violet? Wirklich? T’es sûr de sa? Das klingt nicht richtig, chère .«
»Ist aber richtig. Frag meine Mama. Bist du ein Engel?« Sie berührte Dantes bleiche Wange. Ihr schläfrig-blauer Blick wirkte ehrfürchtig. »Deine Augen leuchten wie goldene Sterne.«
»Ich bin kein Engel, petite .«
»Doch. Weshalb sind deine Flügel dunkel? Bist du ein Nachtengel?«
»Ich habe gar keine Flügel, Prinzessin.« Dante hielt inne. »Ich bin … ein Nachtgeschöpf.«
»Du bist ein Engel«, erklärte Violet. Sie gähnte, und ihre Augen schlossen sich. »Schöner Engel …«
Heathers Magen verkrampfte sich und fühlte sich auf einmal an, als hätte sie eine Tonne Wackersteine verschluckt. Sie bezweifelte, dass Dante merkte, was er getan hatte. Seine angestrengte Körperhaltung, sein harter Kiefermuskel und die Schweißperlen auf seiner Stirn sprachen von Schmerz und Qual. Seine Worte, seine Stimme und sein Verhalten erzählten eine andere Geschichte: Er hatte sich in der Vergangenheit verloren.
Er kämpft verdammt hart darum, im Hier und Jetzt zu bleiben. Aber …
Nicht einmal vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit Lyons und seine Schwester versucht hatten, durch Folter die Programmierung zu umgehen, mit der ihr Vater Dante unter Kontrolle gebracht hatte – als sie versuchten, die Fragmente seiner zerbrochenen und verborgenen Erinnerungen gewaltsam wieder zusammenzufügen.
Nicht einmal vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit er Lucien verloren hatte.
»Ich glaube, dass er nicht mehr ertragen kann, Püppchen. Weder psychisch noch mental.«
»Er braucht einen sicheren Ort und Zeit, um zu heilen.«
»Aber uns bleibt keine Zeit mehr.«
Violets Mutter, die noch immer umgeben von Blut und Glassplittern auf dem Asphalt kniete, starrte Dante an. Ihre dunklen Augen waren vor Entsetzen und Schock geweitet, während sie die Hände auf den Mund presste.
Heather sah auf und entdeckte auf fast allen Mienen der Umstehenden die gleiche Fassungslosigkeit – sowohl in denen der Agenten in ihren verschmutzten gelben Overalls als auch in denen der anderen Motelgäste. Tiefe Stille breitete sich auf dem noch immer nach Schießpulver riechenden Parkplatz aus.
Heather schob die Browning wieder in den Bund ihrer Jeans und kniete sich neben Dante, so dass sie ihn mit dem ausgestreckten Arm erreichen konnte. Noch immer sprühten blaue Funken um seine Hände.
»Baptiste«, flüsterte sie. »Hörst du mich?«
Er schüttelte sich
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