03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
ertönte der ängstliche Schrei einer Frau und verdrängte alle anderen Geräusche. »Mein Baby!«
Dante hob den Kopf von Papa Prejeans blutender Kehle und riss sich von dem heißen, betörenden Geruch los – süße Beeren, durchsetzt von dem wacholderbitteren Geschmack des Adrenalins. Er drehte sich nach dem Schrei um.
Eine Asiatin kniete auf dem Asphalt neben der offenen Tür von Zimmer zehn. Glassplitter eines durchschossenen Fensters umgaben sie. Verzweifelt presste sie ein kleines Mädchen in Jeans und einem veilchenblauen Pulli an ihre Brust. Blut strömte aus dem Hinterkopf des Mädchens und schimmerte in ihrem langen schwarzen Haar. Ihre Mutter heulte und klagte, während das Blut ihre Hände verschmierte und in ihre khakifarbene Hose eindrang.
Die Zeit blieb stehen. Alle schienen den Atem anzuhalten, als der Schrei der Frau auf dem Parkplatz widerhallte.
Der Schusswechsel brach ab. Rufe und Instruktionen verstummten. Nur ein Satz einer unbekannten männlichen Stimme war noch zu hören: »Ruft 911!«
Dante sprang auf und rannte über den Parkplatz, vorbei an dem SUV und der Rothaarigen, die neben dem Wagen hockte und mit beiden Händen eine Waffe hielt. Er ließ sich vor der schluchzenden Frau auf die Knie nieder und sagte: »Geben Sie sie mir.«
»Sie atmet nicht mehr«, brachte die Mutter mühsam heraus. »Können Sie ihr helfen?«
Niemand wird dich retten.
Nie.
Du kannst dich nur selbst retten.
Lügnerin, Lügnerin, verdammte Lügnerin.
»Geben Sie sie mir«, wiederholte Dante leise. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.« Seine Schläfen pochten schmerzhaft. »Sie werden sie nicht kriegen.«
Der schwere Geruch von Blut stieg ihm in die Nase und traf ihn wie eine schallende Ohrfeige.
Hunger meldete sich erneut zu Wort. Zitternd drängte er ihn beiseite, schob ihn in die Tiefen seines wespendröhnenden Inneren.
Die Frau starrte ihn einen Augenblick lang an. Ihre roten Augen waren verzweifelt, als sie den Blick auf ihre Tochter richtete. »Gütiger Gott, wenn Sie etwas für sie tun können … irgendetwas … dann tun Sie es. Bitte.«
Dante nahm das tote Mädchen in die Arme. Glasscherben knirschten unter ihm, als er sich im Schneidersitz niederließ und das Kind in seinen Schoß legte. Ihre mandelförmigen, jadegrünen Augen starrten zu den Sternen empor, ohne etwas wahrzunehmen. Blut troff aus einem Loch in ihrer Stirn.
Sie war stumm und reglos. Kein Puls. Kein Atem. Alles Leben war aus ihr gewichen.
Chloe liegt auf dem Boden – in einer riesigen Lache aus Blut.
Zu spät, Dante-Engel.
»Nein. Das werde ich nicht dulden«, sagte Dante und strich mit dem Finger über eine blutdurchtränkte Strähne. » J’su ici . Still, ganz still.« Er nahm einen Hauch von Zimt, Gewürznelken und Eis wahr – das Phantom eines Geruchs.
»Du wirst sie nicht retten. Es wird dir nicht gelingen.«
»Glauben Sie? Sie können mich mal.«
Dantes Haut begann, elektrisch zu kribbeln. Es brannte in seinen Fingern. Sein Lied erklang in seinem Herzen, eine dunkle, komplizierte Arie, die im selben Rhythmus wie die blauen Flammen um seine Hände tanzte. Eine seiner Hände legte er dem Mädchen auf die Brust, über das stumme Herz. Blaue Funken sprangen über ihren violetten Hannah-Montana-Comeback-Tour-Pulli.
Er schloss die Augen und riss an ihrer sterbenden DNS -Spirale. Er spielte auf der Klaviatur ihres weichenden Lebens und holte es in einem widerhallenden Glissando in sie zurück – neu ordnend, formend, komponierend.
Dante senkte den Kopf und drückte die Lippen auf die des Kindes, um ihr blaues Feuer in die Lunge zu atmen. Musik floss wie geschmolzenes Wachs in ihr Inneres und erhellte die geheimnisvollen Kammern ihres Herzens, wirbelte durch die Asche ihrer Leblosigkeit und hauchte ihr einen wilden, pulsierenden Rhythmus ein.
Er stellte sich ihre Augen strahlend und warm vor, ihr Haar vom Mondlicht beschienen, und er malte sich aus, wie sie lachte und den Plüschschwertwal unter ihren Arm geklemmt hatte.
Lass mich gehen, Dante-Engel.
Die Vergangenheit enthüllte sich und wiederholte sich in umgekehrter Reihenfolge.
Dante kriecht von Chloe fort, die Knie seiner Hose sind trocken. Das Blut, das seine Hände und Finger verschmiert und unter seinen langen, scharfen Nägeln hängt, ist nur das der Arschlöcher, die tot mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Betonboden liegen.
Orem schwebt über den Boden, sein Plüschfell ist nicht mehr blutbefleckt, sondern makellos rein. Er schmiegt
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