03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
wie eine Königin in ihrem langen Kleid aus zartem Stoff in den Farben des Sonnenuntergangs, die ihre schokoladenbraune Haut und das wellige schwarze Haar unterstrichen. Merri klopfte die Asche ihrer Zigarette in den Papierkorb und meldete sich in Gedanken bei Galiana.
Merri, mein Kind, was ist? Deine Gedanken sind von großer Ermüdung geprägt.
Diese albernen Wachtabletten. Ich hatte während des Tages einen Job zu erledigen.
Ah. Ich verstehe immer noch nicht, warum du für die Sterblichen arbeiten willst.
Manchmal verstehe ich es auch nicht.
Merri streckte sich auf dem Bett aus und legte den Kopf aufs Kissen. Sie beschrieb den Stonehenge-Kreis aus Gefallenen, der die Höhle in den waldigen Hügeln Damascus’ umgab.
Die Kiefern, die Eichen und die Ulmen des Waldes.
Die blauen Funken. Das Ozon. Die Herzschläge im Stein. Die glatten Fittiche.
Das ist Gefallenen-Magie. Aber in dieser Größenordnung … ich finde, das klingt, als sei etwas Großes am Werk gewesen.
Zum Beispiel? Wie konnte jemand so viele Gefallene auf einmal in Stein verwandeln?
Ich bin nicht sicher. Vielleicht ist das der Beginn eines weiteren Kriegs der Elohim oder vielleicht auch die Rückkehr der Gefallenen in die Welt der Sterblichen … aber ich weiß nicht so recht …
Rückkehr? Merri war nicht sicher, ob ihr diese Vorstellung gefiel. Aber was?
Etwas ging schief.
Das sind Elohim, Gefallene. Wie konnte ihnen so etwas passieren? Was ist da schiefgegangen?
Du hast mir erstarrte Gesichter mit verschiedenen Ausdrücken gezeigt – einige wirkten ekstatisch, andere überrascht, ungläubig, wieder andere verängstigt. Du meinst, all diese gefallenen Engel außer einer Engelsfrau hat es unvorbereitet erwischt, nicht?
Ja.
Merri dachte erneut an die Engelsfrau, die zwischen den Bäumen kauerte. Sie wusste, dass ihre Mère de sang das Bild sehen würde.
Die Flügel dieser Gefallenen sind nach vorn ausgebreitet, als wollte sie sich schützen. Sie hat die Augen geschlossen und die Fäuste im Schoß geballt. Sie scheint um Gnade zu flehen, die man ihr allerdings nicht gewährte.
Sie wusste, was geschehen würde, sendete Galiana.
Merri spürte die Fieberglut der sich überschlagenden Gedanken im Bewusstsein ihrer Mère de sang. Warum dort? , sendete sie zurück. Warum kamen die Gefallenen nach Damascus in Oregon? Wer oder was hat sie versteinert und so um eine neu entstandene Höhle platziert?
Wer sandte dich nach Damascus? Wen habt ihr gesucht?
Zwei Sterbliche und einen Vampir.
Versuche, etwas über ihre Vorgeschichte herauszufinden. Vielleicht ist einer von ihnen der Schlüssel zu diesem Rätsel. Aber bitte, Merri – sei vorsichtig. Ich befürchte, da findet etwas statt, was über die Kräfte der Sterblichen und selbst über die der Vampire weit hinausgeht.
In Merri machte sich Ruhelosigkeit breit, und ihr Magen krampfte. Sie setzte sich auf. Über die Kräfte der Vampire? Was soll das heißen?
Ich muss mit den Llygaid sprechen und versuchen, mehr herauszufinden. Kümmere dich um die Vorgeschichten dieser Leute, ja – und, Merri?
Ja?
Versprich mir, vorsichtig zu sein.
Nachdem Merri es versprochen hatte, kappten sie die Gedankenverbindung. Merri drückte ihre Zigarette in dem Metallpapierkorb neben dem Bett aus. Dann stand sie auf, wobei ihr schwindlig wurde. Sie setzte sich also wieder. Die Bettfedern gaben nur leicht nach, und sie senkte den Kopf.
Diese gottverdammten Wachtabletten. Sie brauchte einige Tage natürlichen Schlafs , um wieder ganz auf der Höhe zu sein. Nach einer Weile versuchte sie es von Neuem. Diesmal wurde ihr nicht schwindlig. Hervorragend.
Sie durchwühlte ihre Reisetasche und zog den USB -Stick heraus, den Gillespie ihnen gegeben hatte, ehe sie Portland verlassen hatten. Auf dem Stick befanden sich angeblich alle wichtigen Daten hinsichtlich des Rodriguez-Falls und der Verdächtigen.
Sie hatte schon einiges über Wallace und Lyons erfahren. Aber das, was sie von Prejean wusste, war ausgesprochen wenig. Er war der Sänger der Band Inferno und in New Orleans mehrfach verhaftet worden, aber stets nur wegen unbedeutender Kleinigkeiten. Mehr wusste sie nicht. Nun hoffte sie, etwas mehr über ihn herauszufinden, wenn sie sich die Dateien auf dem Stick ansah.
Merri schob den USB -Stick in ihre Jackentasche. Sie entriegelte die Zimmertür und trat auf den leeren, stillen Flur hinaus. Emmetts Zimmer lag ihrem gegenüber. Höchstwahrscheinlich befand er sich in der Kantine oder hatte sich hingelegt. Es war
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