03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
inneres Polarlicht, Strahlen ungefilterten Lichts – rot, violett, blau und grün –, begleiteten die Schmerzen.
Die unsichtbaren Hände, die sie herunterzogen, ließen plötzlich von ihr ab.
Etwas packte sie, als habe ein Haken sie erfasst, und zerrte sie ins Dunkel.
Nächtliche Zypressen und alte, knorrige Eichen umgeben zwei Männer, die hinter einem verrosteten Chevy stehen und den Inhalt des Kofferraums begutachten, den sie gerade geöffnet haben. Ein Mann hat eine Schaufel in der Hand.
»Saublöd, dass du sie getötet hast«, sagt der eine.
»Verdammt, ich hab’s dir doch erklärt. War ein Unfall. Jetzt halt endlich den Rand, ja?«
»Warum verbuddeln wir sie denn? Beim nächsten Regen kommen die Leichen sicher wieder raus. Sollten sie lieber den Allis zum Fraß vorwerfen.«
» Tais-toi, Idiot. Grab jetzt.«
Der schrille, rhythmische Gesang der Laubheuschrecken, der klingt, als kratze man über ein Waschbrett, erfüllt die feuchtheiße Nacht mit natürlicher Musik, während die Männer – beide gleich groß, in Jeans und schweißnassen T-Shirts, wobei der eine jedoch beleibter ist als der andere – die Leichen nacheinander aus dem Kofferraum zerren.
Teenager. Die Hände auf dem Rücken gefesselt.
Einer hat schwarzes Haar und ist so blass, dass seine Haut im Mondlicht zu leuchten scheint. Blut glänzt auf seiner Schläfe. Heathers Herz rast in ihrer Brust. Dante. Vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Das steht nicht in den Bad-SeedAkten – jedenfalls nicht in denen, die sie gesehen hat.
Einer der Männer kniet nieder und streicht Dante die Haare aus dem Gesicht. »Ich glaube nicht, dass der tot ist, Cecil.«
»Klar ist der nicht tot, du Idiot! Er ist der beste Geldverdiener, den ich je hatte. Kannst mir glauben. Ich habe ihn einfach in der Wanne runtergehalten, bis er Wasser in der Lunge hatte, und ihn dann wieder rausgezogen. Aus Spaß hab ich ihm dann noch ein paar Kopfnüsse verpasst. Kann nie schaden.«
»Wieso bringen wir den Kerl dann überhaupt hierher?«
Ein Lächeln huscht über Papa Cecils Lippen – eiskalt und herzlos. »Der Junge braucht eine Lektion. Der braucht immer eine Lektion.«
Papa und sein Begleiter graben abwechselnd ein Loch in den feuchten Boden. Sie werfen schaufelweise Erde in die Luft, die nach Moos, verfaultem Holz und Brackwasser riecht.
Sobald Papa das Loch für tief genug hält, wischt er sich den Schweiß mit einem Halstuch von der Stirn, das in seiner Gesäßtasche steckt. »Hol ihn«, schnauft er und zeigt auf Dante.
»Aber er ist nicht tot.«
»Hol ihn trotzdem und wirf ihn in das verdammte Grab.«
Papas Freund seufzt und schleppt Dante an den Rand des provisorischen Grabs. Nachdem er Papa einen letzten Blick zugeworfen hat, rollt er Dante in das Loch.
»Jetzt den Toten«, befiehlt Papa. »Wirf ihn auch rein. Dann mach das Grab zu.«
Heather wird schwindlig. Ihr Magen krampft, ihr wird übel. Alles dreht sich, die Zypressen und Eichen wirbeln ebenso an ihr vorbei wie der Sternenhimmel über ihnen. Sie stolpert ins offene Grab.
Der Sturz erfolgt in Zeitlupe. Obwohl das Grab nur einen Meter fünfzig tief ist, stürzt sie eine lange Zeit. Dante liegt unten auf dem Boden. Wasser dringt ein und verwandelt die Erde in eine dunkle, übelriechende Schlammbrühe.
Kurz bevor Heather auf ihn fällt, öffnet er die Augen.
»Où suis-je?«, wispert er.
Die dämmerblauen Augen der hübschen schlafenden Rothaarigen öffneten sich. Sie wirkten angsterfüllt und orientierungslos. Schweiß stand ihr auf der Stirn. »Bei mir«, wisperte sie.
»Wer bist du?« Noch während Dante fragte, noch während er die Hände hob, um sie vor den Schaufeln voller dunkler, feuchter Erde zu schützen, die in das Loch fielen – kein Loch, das ist ein Grab –, wurde ihm bewusst, dass er sie kannte. Er wusste nur nicht woher.
»Heather«, wisperte er. Ihr zauberhafter Abendduft – Salbei und regennasser Flieder – stieg ihm in die Nase und füllte seine Lunge.
Sie lächelte und nickte. »Ja, Baptiste.«
Erde fiel in Kaskaden auf sie herab und blieb in ihren Haaren hängen. Schlamm und Moorwasser sogen sich in Dantes Kleidung, ließen sein T-Shirt und seine Hose klatschnass werden. Elektrizität knisterte in seinen Fingern und sammelte sich in seinen Händen. Wespen surrten ohrenbetäubend. Stimmen flüsterten, schwollen an und ab.
Der Junge braucht immer eine Lektion.
Dante-Engel, lauf!
Es wird dir nicht gelingen.
»Roll zur Seite«, sagte Dante, »damit ich
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