03 - Nur ein einziger Biss
alles zu verarbeiten.«
In den dunklen Augen loderten wilde Emotionen auf, ehe er sich bemühte, die kühle Kontrolle zurückzugewinnen, die ihn auszeichnete. Und die meistens fehlte, wenn sich Darcy in seiner Nähe befand.
»Du hast recht, aber es ist nicht einfach«, knurrte er und schüttelte den Kopf. »Das ist eigenartig, wenn man bedenkt, dass ich oftmals jahrhundertelang Pläne geschmiedet habe, ohne je die Geduld zu verlieren. Du gibst mir das Gefühl, als sei ich wieder ein Findling.«
»Ein Findling?«
»Ein neu auferstandener Vampir«, erklärte er.
»Du liebe Zeit.« Sie unterdrückte das Bedürfnis zu kichern, als sie sich diesen stolzen Krieger als armen Oliver Twist vorzustellen versuchte, der um eine Schüssel Haferschleim bettelte. »Bei dir klingt das so, als wärst du nicht mehr als ein hilfloses Waisenkind.«
Er zuckte die Achseln. »Das ist kein schlechter Vergleich.«
Sie ließ ihren Blick bewusst über seine hochgewachsene, kräftige Gestalt gleiten, bevor sie ihn auf seine blitzend weißen Zähne richtete. »Ein Waisenkind mit Vampirzähnen?«, fragte sie.
Er zuckte nicht mal mit der Wimper, aber Darcy fühlte, wie er sich innerlich zurückzog. Als habe sie Erinnerungen in ihm geweckt, die er lieber verdrängte.
»Die helfen dir recht wenig, wenn du nicht weißt, weshalb du sie besitzt oder was du mit ihnen anfangen sollst«, sagte er schließlich mit düsterer Stimme.
Sanft bewegte Darcy ihre Finger und zog seine fein geschnittenen Lippen nach. Es berührte sie jedes Mal wieder, wenn für kurze Momente seine Verletzlichkeit deutlich wurde.
»Was meinst du damit?«
»Wenn wir Vampire erwachen, haben wir keine Erinnerungen an unser früheres Leben und keine Erkenntnis darüber, was oder wer wir sind. Die meisten sterben beim ersten Sonnenaufgang, und selbst denjenigen, die überleben, gelingt das nur wenige Wochen. Nicht ohne den Schutz eines Ältesten.«
Darcy erzitterte bei dem Gedanken daran, dass Styx gezwungen gewesen war, eine dermaßen traumatische Verwandlung allein durchzustehen.
»Hattest du denn einen Ältesten, der dich beschützt hat?«
Sein schönes Gesicht versteinerte. »Nein.«
»Aber du hast trotzdem überlebt.«
»Nur durch reines Glück, und selbst da war ich zu schwach, um gegen die Krieger zu kämpfen, die mich als Sklaven halten wollten.«
Darcy verzog entsetzt das Gesicht, bevor sie diese instinktive Reaktion stoppen konnte. »Ich wusste nicht, dass Vampire Sklaven haben. Das ist ja furchtbar!«
»Es war furchtbar. Furchtbarer, als du es dir überhaupt vorstellen kannst.« Seine ausdruckslose Stimme machte Darcy klar, dass sie nicht einmal versuchen sollte, es sich vorzustellen. »Das war der Grund, weshalb ich mich dem früheren Anasso anschloss. Er war entschlossen, die Vampire als Volk zu vereinen und unserer schrecklichen Gewohnheit, uns gegenseitig niederzumetzeln, endlich Einhalt zu gebieten.«
Darcy drängte die Tränen zurück. Ihre eigene Kindheit war auch nicht gerade rosig gewesen, aber sie fing an zu ahnen, dass diese gegen Styx’ Vergangenheit noch harmlos gewesen war. Und trotzdem war er nicht verbittert oder von dem finsteren Bedürfnis nach Rache erfüllt. Statt über die Sünden anderer nachzugrübeln, hatte er das Kommando übernommen und kämpfte darum, die Welt für die Vampire erträglicher zu machen. Wie konnte sich eine Frau nicht in einen solchen Mann verlieben?
»Und hast du es geschafft?«, fragte sie leise.
»Zum Teil, doch es gibt noch viel zu tun.« Der quälende Schmerz wurde durch grimmige Entschlossenheit verdrängt. »Beginnend mit unseren neuesten und verletzlichsten Brüdern.«
Sie forschte mit echter Neugierde in seinem Gesicht. »Was willst du tun?«
»Ich werde es nicht mehr gestatten, dass Findlinge von ihren Schöpfern verlassen werden. In Zukunft werden sie von Clans aufgenommen werden, und es wird nicht mehr zugelassen, dass sie um ihr Überleben kämpfen müssen.«
»Du bist ein guter Anführer, Styx«, sagte Darcy leise.
Er senkte den Kopf, um ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen zu drücken.
Darcy fühlte die vertraute Hitze, aber bevor sie sich richtig entfalten konnte, wich Styx mit einem wehmütigen Aufseufzen zurück.
»Ein Anführer, der sich um Desmond kümmern muss«, seufzte er, während er zurücktrat und nach seinem schweren Umhang griff. »Ich will dich nicht verlassen, mein Engel, doch ich muss.«
»Ich weiß.« Darcy umschlang sich selbst mit den Armen. »Versprich mir
Weitere Kostenlose Bücher