03 - Nur ein einziger Biss
wirklich helfen konnte, die Geheimnisse ihrer Vergangenheit zu entdecken. Nicht einmal, wenn sie eine Dämonin war.
Aber es schien irgendwie unhöflich zu sein, ihr nicht zu erlauben, es zu versuchen. »Was werden Sie tun?«, fragte sie schließlich.
Shay kräuselte ihre Nase. »Es tut mir leid, aber ich muss an Ihnen riechen.«
Was ist bloß mit diesen Leuten los?, seufzte Darcy innerlich.
»Okay«, stimmte sie vorsichtig zu.
Die Dämonin hob Darcys Hand an ihre Nase und schnüffelte intensiv an ihrer Haut. Und schnüffelte noch einmal und noch einmal und wieder.
»Eigenartig.« Shay ließ Darcys Hand sinken und trat mit verwirrtem Gesichtsausdruck ein Stück zurück. »Ich könnte schwören …«
»Was?«
»Da gibt es einen winzigen Anflug von Werwolf«, gestand Shay.
Darcy schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Um Gottes willen, ich habe zweimal geduscht und ein Bad genommen, seit ich in Salvatores Nähe war! Muss ich mich etwa in Reinigungsmittel auskochen?«
»Sie waren mit einem Werwolf zusammen?«
»Nur einen ganz kurzen Moment, und er hat mich kaum angefasst.«
Shay kaute auf ihrer Unterlippe herum und dachte über Darcys Worte nach. »Das könnte es sein.«
»Sie klingen nicht so, als wären Sie sich sehr sicher.«
»Ich bin mir nicht sicher, und das ist sehr sonderbar.« Die Frau seufzte tief. »Es tut mir leid, ich hatte gehofft, Ihnen behilflich sein zu können.«
Darcy streckte instinktiv die Hand aus, um Shays Hand zu berühren. »Es war sehr nett von Ihnen, herzukommen und es zu versuchen. Ich weiß das zu schätzen.«
»Ich musste einfach herkommen.« Shays Augen verdunkelten sich. »Ich kenne das, Darcy. Ich weiß wirklich sehr gut, wie es sich anfühlt, anders zu sein, sich von anderen absondern zu müssen, aus Angst, sie könnten die Wahrheit herausfinden, sich immer zu fragen, ob man sich je sicher fühlen wird.«
Darcy lächelte sanft. Sie spürte eine unerwartete Verbindung zu dieser Frau. Eine Verbundenheit, die ihr das Herz wärmte.
»Sie wissen es.« Sie drückte Shays Finger leicht. »Aber Sie sind jetzt glücklich.«
Shay blinzelte, als sei sie überrascht über Darcys Wahrnehmungsvermögen. »Ja.«
»Ich auch. Glücklich, meine ich«, versicherte Darcy der Dämonin. »Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe entdeckt, dass das Leben sehr kostbar ist, sogar, wenn es schwierig ist. Ich weiß jeden Tag zu schätzen, der mir geschenkt wird.«
Tiefes Schweigen erfüllte den Wintergarten, bevor freudige Verblüffung Shays düsteren Gesichtsausdruck vertrieb. »Viper hatte recht. Sie sind wirklich sehr beeindruckend.«
Darcy tat die albernen Worte mit einer Handbewegung
ab. »Die meisten Leute halten mich für einen Freak, aber das ist mir egal.«
»Die meisten Leute sind sowieso Idioten«, entgegnete Shay einfach. »Und da ich selbst ein echter Freak bin, denke ich, dass wir sehr gut miteinander auskommen werden.«
Darcy war derselben Meinung. Zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben war sie umgeben von Leuten, vor denen sie ihr wahres Ich nicht verstecken musste. Sie musste nicht lügen, etwas vortäuschen oder sich permanent darauf konzentrieren, anderen Leuten Normalität vorzuspielen. Es war friedlich, stellte sie überrascht fest - ein seltsames Gefühl, wenn man bedachte, dass sie von einem Vampir gefangen gehalten und von einem Rudel Werwölfe gejagt wurde.
Ach was! Das war nur ein weiteres seltsames Abenteuer in einem ganzen Leben voller Merkwürdigkeiten.
KAPITEL 9
S tyx erwachte allein. Das war nichts Neues. Er war endlose Jahre allein erwacht und in all der Zeit hatte er nicht das geringste Bedauern verspürt.
Vampire taten sich nicht von Natur aus zusammen. Sie bildeten ihre Clans eher wegen des Schutzes, den sie boten, als aus dem Bedürfnis heraus, eine Familie um sich zu haben. Und obwohl man füreinander zu töten bereit war, empfanden sie selten das Bedürfnis, sich einander einfach um der Gesellschaft willen aufzusuchen. An diesem Abend jedoch stellte Styx fest, dass er ausgesprochen mürrisch wurde, als er sich auf die Seite rollte und entdeckte, dass das Bett leer war.
Bei den Göttern, das war falsch! Darcy sollte in seinen Armen liegen. Ihre Körperwärme sollte ihn einhüllen und ihr Duft den Raum mit Süße erfüllen. Weshalb hatte sie ihn verlassen?
Nachdem er sich kurz abgeduscht und sein Haar mit einem Lederband zurückgebunden hatte, zog er sich einen Morgenrock über und machte sich auf die Suche nach der Frau, die seine Gedanken so
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