03 - Nur ein einziger Biss
auch nicht tun. Männer können so sensibel sein, wenn sie denken, sie seien clever.«
Darcy konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. »Ich sage kein Wort.«
Shay machte es sich auf einer gepolsterten Bank bequem. »Ich hoffe, Sie fühlen sich hier wohl. Nun ja, so wohl wie möglich, wenn man bedenkt, dass Sie gegen Ihren Willen hier festgehalten werden.« Sie zog an dem langen Zopf, der ihr über die Schulter gefallen war. »Eines Tages werde ich Styx einen Pflock ins Herz treiben, ob er nun der verdammte Anasso ist oder nicht.«
»Der Anasso?«, fragte Darcy.
»Der Herr über alle Vampire.« Shay rollte mit den Augen. »Und ob er sich dessen bewusst ist!«
»Er hat eine gewisse Arroganz an sich«, gab Darcy zu.
»Eine gewisse Arroganz? Ha! Er könnte ein Buch über kaltblütigen Hochmut schreiben.«
Darcy dachte nach. Zugegeben, Styx hatte sie als Geisel genommen. Und er konnte auch reserviert und unnahbar sein. Aber sie wusste auch, dass er wundervolle Eigenschaften besaß, die er vor den meisten anderen versteckt hielt.
»Er nimmt seine Verantwortung sehr ernst. Vielleicht
manchmal zu ernst«, sagte sie leise. »Aber er kann auch sehr nett und sanft sein, wenn man ihn kennt.«
Shay gab ein ersticktes Husten von sich, aber da sie Darcys Abneigung dagegen, schlecht von Styx zu reden, zu spüren schien, zwang sie sich zu einem schwachen Lächeln. »Ich muss mich wohl auf Ihr Wort verlassen.«
»Wenn Sie hier sind, um ihn zu besuchen - ich fürchte, dass er noch nicht aufgestanden ist.«
»Eigentlich bin ich hier, um Sie zu besuchen.«
»Mich?«
»Viper hat mir alles über Sie erzählt, und da musste ich einfach herkommen, um Sie selbst zu treffen«, erklärte Shay.
Darcy erschauderte, als sie sich an ihre kurze, aber angespannte Auseinandersetzung mit dem Vampir erinnerte. »Ich kann mir vorstellen, was er gesagt hat. Er wirkte nicht gerade so, als würde er mich übermäßig gern mögen.«
»Eigentlich war er recht beeindruckt.«
»Wirklich? Er schien überzeugt zu sein, dass ich Styx sofort ermorden würde, sobald er mir den Rücken zudrehte.«
Shay hob reumütig die Hände. »Er ist einfach besorgt um seinen Anasso. Die Vampire haben alle einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, was ihn betrifft.«
»Das habe ich gemerkt«, gab Darcy trocken zurück.
»Ja, das glaube ich.« Shay lachte leicht, erhob sich und ging auf die Pflanzen zu, die Darcy auf die Holzregalbretter gestellt hatte. An ihr war eine ruhelose Energie zu spüren, die um ihre schlanke Gestalt zu knistern schien. »Gehören die Pflanzen Ihnen?«
»Ja.« Darcy stellte sich neben sie. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Ihren Wintergarten übernommen
habe, aber ich war beunruhigt, weil sie allein in meiner Wohnung waren.«
»Natürlich macht es mir nichts aus.« Die Frau streckte die Hand aus, um leicht ein Usambaraveilchen zu berühren. »Offensichtlich haben Sie einen grünen Daumen.«
»Ich liebe Pflanzen.«
»Ich ebenfalls, aber aus irgendeinem Grund endet es bei mir immer damit, dass ich alles töte, was ich berühre.« Shay drehte sich um, um Darcy mit ihren merkwürdigen goldenen Augen anzusehen. »Vielleicht kann ich Sie einstellen, wenn der Wintergarten fertiggestellt ist. Ich werde jemanden brauchen, der mich davon abhält, an meinen Pflanzen Massenmord zu begehen.«
Darcy lächelte. »Ich würde nicht Nein sagen. Ich suche immer nach neuen Jobs.«
»Viper sagte, Sie seien Barkeeperin?«
»Unter anderem«, gestand Darcy bereitwillig. »Ich habe nie die Highschool beendet, also nehme ich das, was ich bekommen kann.«
»Sie sind ganz allein auf der Welt?«, fragte Shay sanft.
»Ja.«
»Das war ich auch, viele, viele Jahre lang. Es ist …« Die goldenen Augen verdunkelten sich durch einen Schmerz, der gerade erst zu heilen begonnen hatte.
»Einsam?«, fragte Darcy mit einem traurigen Lächeln.
»Einsam und beängstigend.« Shay schüttelte den Kopf, wie um ihre düsteren Gedanken zu verscheuchen. Dann streckte sie ziemlich unerwartet die Hand aus, um Darcys zu ergreifen. »Macht es Ihnen etwas aus?«
»Was genau?«, wollte Darcy wissen.
»Viper hat mir erzählt, dass Sie denken, Sie hätten möglicherweise Dämonenblut in Ihren Adern. Ich bin
zur Hälfte Shalott, wodurch ich die meisten Arten von übernatürlichen Eigenschaften erkenne. Vielleicht bin ich imstande, Ihnen etwas über Ihre Herkunft zu verraten.«
Darcy zögerte eine ganze Weile. Sie glaubte nicht, dass diese Frau ihr
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