03 - Saison der Eifersucht
Besuch
vorzubereiten. Aber das, was Harriet bisher von den jungen Männern in der
Hauptstadt gesehen hatte, ließ sie zweifeln, dass sich irgendein Mann unter
Vierzig dazu herablassen würde, sich um eine Promenadenmischung zu kümmern, und
so stellte sie sich den Marquis in freudiger Erwartung als ziemlich alt und
bäurisch vor.
Sarah und Annabelle
kamen mit zahlreichen Paketen und Schachteln beladen nach Hause. Harriet hatte
das Gefühl, dass sie zuviel Geld für Schnickschnack ausgaben, aber da es ihr
eigenes Geld war, beschloss sie, sie gewähren zu lassen und sie erst dann zu bremsen,
wenn sie noch eine zweite Saison mitmachen müssten, bevor sie Ehemänner fänden.
Als Harriet am
nächsten Morgen erwachte, wurde ihr bewußt, dass sich die von draußen
hereindringenden Geräusche geändert hatten. Es gab sehr viel mehr Bewegung und
Geschäftigkeit als bisher auf der Straße, und vor allem sangen die Vögel auf
den Dächern.
Harriet sprang aus
dem Bett und zog die Vorhänge zurück. Goldenes Sonnenlicht durchflutete das
Zimmer; die Sonne vergoldete auch das Kopfsteinpflaster unten auf der Straße.
Harriet schob das Fenster mit einiger Mühe in die Höhe, denn das Holz war von
der ständigen Nässe aufgequollen, und der Fensterrahmen klemmte. Warme,
liebliche Luft drang in das Zimmer.
Sie streckte die
Arme in die Höhe. Der Tag versprach schön zu werden. Sie war voller Pläne. An
diesem Abend sollte das erste gesellschaftliche Ereignis stattfinden, ein Ball
bei Lord und Lady Phillips in der Brook Street. Lady Phillips war eine dicke,
freundliche Dame, die Harriet ins Herz geschlossen hatte.
Harriet hatte sie,
dank Rainbirds Empfehlungen, kurz nach ihrer Ankunft in London zum Tee
eingeladen. Rainbird hatte ihr gesagt, dass Lady Phillips zu den Mitgliedern
der exklusiven Gesellschaft gehörte; sie sei eine sehr nette Dame und bestimmt
werde sie sich über eine Einladung freuen.
Beauty bewegte sich
in seinem Korb zu Füßen von Harriets Bett, und es fiel ihr wieder ein, dass der
Marquis of Huntingdon einen Besuch abstatten wollte.
Sie gab sich große
Mühe mit ihrer Kleidung - eine Geste der Höflichkeit einem älteren Herrn
gegenüber, der so freundlich gewesen war, sich um ihren Hund zu kümmern. Die
Zwillinge standen nie vor zwei Uhr nachmittags auf, da sie sich den Bräuchen
der fashionablen Londoner Welt bereits vor ihrer ersten gesellschaftlichen
Verpflichtung angepasst hatten.
Harriet zog eines
ihrer neuen Kleider an. Es war aus blassblauem indischen Musselin und unter der
Brust mit zwei blauen Seidenbändern gerafft. Sie drehte ihr fülliges, weiches
Haar auf dem Kopf zu einem Knoten zusammen, aber ein paar freche kleine
Strähnchen entschlüpften und bildeten eine Art Strahlenkranz um ihr Gesicht.
Um elf Uhr
vormittags saß sie mit Beauty zu Füßen im vorderen Salon, als Rainbird
ankündigte, dass nicht nur der Marquis of Huntingdon, sondern auch Lord Vere
sie zu sehen wünschte.
Zwei Herren traten
näher und blieben auf der Türschwelle stehen. Harriets blaue Augen waren so
klar und aufrichtig wie die eines Kindes, als sie sie anschaute. Ihr erster
Gedanke war, dass beide Männer sehr gut aussahen, und sie bedauerte, die Zwillinge
nicht geweckt zu haben, so dass sie sie jetzt nicht vorstellen konnte. Der
Marquis und Lord Vere musterten Harriet Metcalf ebenfalls sehr genau. Ihr
erster Eindruck von ihr war so stark, dass sie ihn beide nie mehr vergaßen. Sie
saß mit Beauty zu ihren Füßen in einem chintzbezogenen Sessel. Die Sonne, die
durch das offene Fenster hinter ihr hereinschien, brachte ihr goldblondes Haar
wie eine Aureole zum Leuchten. Sie sah zart, frisch und sehr weiblich aus.
Der Marquis war
nach Harriets Schätzung in den Dreißigern. Er hatte dichtes, lockiges
kastanienfarbenes Haar, haselnussbraune Augen, eine feine gerade Nase und einen
schönen Mund, der ständig zu lächeln schien. Seine Taille war schmal, und seine
Beine waren als >die schönsten in England,< bezeichnet worden - die
Beine einer Dame wurden niemals auch nur erwähnt, lebte man doch in einer Zeit,
in der es unhöflich war, zuzugeben, dass weibliche Extremitäten überhaupt
existierten. Er trug ein blaues Tagesjackett mit vergoldeten Knöpfen, Kniehosen
aus weichem Büffelleder und Stulpenstiefel. Seine biskuitfarbene Weste war hoch
geknöpft und schloss mit den schneeweißen Falten seiner raffiniert gewickelten
Halsbinde ab. Er machte eine beeindruckende Verbeugung und sagte: »Wir sind
gekommen, um Miss Metcalf
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