03 - Saison der Eifersucht
den Misses Hayner in den
Augen der tonangebenden Gesellschaft Schande bereiten würde, wenn sie mit einer
ärmlich gekleideten Anstandsdame aufträten.
Um ihnen Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, muss betont werden, dass die Zwillinge vor einiger Zeit
zu der festen Überzeugung gekommen waren, dass Harriet sich die Zuneigung ihres
Vaters er schlichen hatte. Die traurige Wahrheit jedoch war, dass Sir Benjamin
seine schwierige Frau während deren Lebzeiten immer weniger geschätzt und
geachtet hatte. Nachdem er allzu viele ihrer unangenehmen Eigenschaften in
seinen Töchtern wiedererkannte und ihr Charakter sich auch nicht durch die
Erziehung mehrerer ausgezeichneter Gouvernanten änderte, war Sir Benjamin zu
der Schlussfolgerung gelangt, dass seine beiden Töchter verschlagen und unaufrichtig
seien. Er selbst war ein sorgloser und heiterer Mensch, der sich nicht mit allzuviel
Gedanken belastete. Auch war er selten zu Hause, und wenn, dann lud er zum
Dinner Harriet ein - ein Brauch, von dem seine Töchter hofften, dass er
mit dem Tod von Harriets Eltern enden würde. Bis dahin hatten sie gedacht, ihr
Vater amüsiere sich lediglich über die liebenswerten Schwächen der verschämt-armen
Metcalfs, doch nach dem Tod von Mr. und Mrs. Metcalf zeigte sich seine
wirkliche Zuneigung zu Harriet. Die Zwillinge hatten ihren Neid auf Harriet
und ihre Abneigung immer sehr gut verborgen; Sir Benjamin hätte Harriet Metcalf
nie mit dem Debüt seiner Töchter betraut, wenn er das Ausmaß ihrer Eifersucht
geahnt hätte.
Die ersten Tage, in
denen sich die Mädchen auf die Saison vorbereiteten, vergingen dennoch denkbar
angenehm. Durch strenges Fasten hatte Annabelle ein paar Pfund verloren, und
dank regelmäßiger Mahlzeiten hatte Sarah soviel zugenommen, wie ihre Schwester
abgenommen hatte. Sie sahen sich daher jetzt noch ähnlicher, auch wenn Sarah
immer noch nervös und angespannt war und Annabelle schlaff und träge.
Beide stimmten
insgeheim darin überein, dass sie Harriet höflich behandeln wollten, bis diese
das Fundament für ihren gesellschaftlichen Erfolg gelegt hatte. Obwohl Harriet
sich sehr bemühte, dieses Ziel zu erreichen, gelang es ihr nicht, die Gefühle
der Mädchen zu besänftigen.
Vielleicht war die
einzige Person im Haus, die eher unglücklich war, Lizzie, das Spülmädchen.
Sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, Emily, die Kammerzofe, zu
mögen. Emily hatte Mrs. Middleton nicht aus ihrem Salon vertrieben, sondern
schien ganz zufrieden damit, sich ein Dachstübchen mit Jenny und Alice zu
teilen. Auch hatte Emily Josephs Blicke nicht auf sich gezogen, etwas, was
Lizzie, die hoffnungslos in den eitlen Lakaien verliebt war, wirklich erbittert
hätte. Es lag vielmehr daran, dass Lizzie eine gewisse Grausamkeit an Emily
spürte, die die anderen nicht zu bemerken schienen. Emily hatte eine tückische
Art, die Leute aus den Winkeln ihrer seltsam gelben Augen anzuschauen, so, als
amüsiere sie sich insgeheim wie über einen besonders bösen Scherz.
Außerdem fühlte
sich Lizzie nicht besonders wohl. Es regnete immer noch in Strömen, tagaus,
tagein, und das bedeutete, dass in der Küche unentwegt schlammiges Wasser
aufgewischt werden musste. Es bedeutete auch, dass ständig in allen Räumen
Feuer gemacht und die Kamingitter poliert werden mussten.
Sämtliche Diener
hatten Beauty misstrauisch von der Seite angeschaut, vor allem Joseph, der
nicht nur fürchtete, dass er sein geliebtes Haustier - den Küchenkater
namens Schnorrer, einen gelbbraunen, unansehnlichen Miniaturlöwen -
angreifen könnte, sondern auch völlig außer sich darüber war, dass man von ihm
erwartete, dass er das Vieh spazierenführte.
Aber Beauty schuf
keine Probleme. Er trottete draußen unglücklich hinter Joseph her oder schlief
drinnen vor dem Kamin. Harriet fand, dass sich ihr Liebling gut in der Stadt
eingelebt hatte; sie hatte nicht viel Zeit, sich über seine merkwürdig
gedämpfte Stimmung Gedanken zu machen. Die wahre Ursache für Beautys Sanftheit
waren aber Geschwüre in seinen Ohren, die dazu führten, dass er ständig unter
Schmerzen und Unbehagen litt. Sein Fell wurde dünn und stumpf, und er rührte
sein Futter kaum an.
Dein Leiden des
Hundes wurde ein Ende gesetzt, als Joseph eines Tages mit ihm die Curzon Street
entlangging. Eine zierliche Kutsche war umgekippt und hatte ihre Insassen in
die Gosse geworfen. Joseph blieb stehen, um sich das Drama anzuschauen. In
diesem Moment wurde er von einem hochgewachsenen,
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