03 - Saison der Eifersucht
mitgenommenen
Kochbuch; das Buch hielt er mit ausgestreckten Armen von sich, denn seine Augen
waren schlecht, aber seine Eitelkeit hielt ihn davon ab, sich eine Brille zu
kaufen. Joseph manikürte seine Nägel, der Schnorrer lag zusammengerollt auf
seinen Knien. Der Schein der Kerzen tauchte die Gruppe um den Tisch in ein
goldenes Licht und ließ die fleckigen Wände im Schatten verschwinden, so dass
der Raum aussah wie das idealisierende Gemälde einer bäuerlichen Küche nach
Feierabend.
Alle erhoben sich,
als sie Harriet hinter Rainbird erblickten. Rainbird zog am Kopfende einen
Stuhl für Harriet unter dem Tisch hervor und bat sie, sich hinzusetzen, Dann
gab er den anderen durch ein Kopfnicken zu verstehen, dass sie ihre Plätze
wieder einnehmen konnten.
Mrs. Middleton war
jetzt hellwach, und ihre gütigen Augen suchten den Raum mit einem erschreckten
Ausdruck ab, denn Mrs. Middleton glaubte insgeheim wirklich, dass auf dem Haus
ein Fluch lag, und sie fragte sich, ob Miss Metcalf in diese unfeinen niederen
Regionen herabgestiegen war, um ihnen von Mord und Vergewaltigung zu berichten.
Rainbird erzählte
ihnen kurz von dem gemeinen Klatsch über Harriet, der in West End kursierte. Er
sagte ihnen, dass er jetzt glaube, die Zwillinge hätten Miss Metcalf
reingelegt, damit sie in den >Krähenhorst< ginge. Als sich all die
Ausrufe des Schreckens und des Abscheus gelegt hatten, wandte er sich an
Harriet.
Harriet wollte
herausschreien, dass sie nicht glaube, dass die Zwillinge zu so etwas fähig
seien, aber Rainbird stellte ihr eine Frage.
»War es nicht so,
Miss Metcalf, dass Lord Vere und Lord Huntingdon Sie vor einiger Zeit
aufgesucht haben und mit kummervoller Miene weggegangen sind? Kann es sein,
dass beide um Ihre Hand angehalten haben?«
»Ja«, antwortete
Harriet unglücklich. »Sie müssen wissen, dass ich glaubte, dass Lord Vere
Annabelle um ihre Hand bitten wollte und Sarah einen Heiratsantrag von Lord
Huntingdon bekommen würde. Aber sie baten statt dessen mich um meine Hand.«
»Und Sie haben
offensichtlich abgelehnt«, sagte Rainbird. »Hat Lord Vere nicht davon
gesprochen, dass er sich wegen eines gebrochenen Herzens wieder zu seinem alten
Regiment begeben wolle? Aber er hat nie den Namen der Dame verraten, und es gab
zahlreiche Vermutungen. Und Huntingdon. Ah, das ist ein Treffer! Bevor er nach
Amerika ging, haben ihn sämtliche Familien. der Aristokratie für ihre Töchter
gewollt, und es gab auch viele verheiratete Frauen, die sich ihm an den Hals
warfen. Aber er hat niemals Affären mit angesehenen Damen gehabt - trotz
seines Rufs als Frauenheld.«
»Belinda Romney ist
seine Mätresse«, sagte Harriet. »Man sagt, sie brauchte nach dem Tod ihres
Gatten dringend Geld. Er hat ihre Situation sicherlich ausgenützt.«
»Keineswegs«, warf
Joseph ein. »Sie hatte vor ihm schon zwei Liebhaber.«
»Sie sehen«, sagte
Rainbird eifrig, »die einzige Möglichkeit, bösen Klatsch zu bekämpfen, ist, die
Gesellschaft mit einem noch dickeren und besseren Brocken zu versorgen. Wir
werden noch heute nacht in West End verbreiten und es aller Welt erzählen, wie
eifersüchtig und boshaft die Hayner-Mädchen sind.«
»Es wird sie ihre
gesellschaftliche Stellung kosten«, sagte Harriet voller Kummer. »Und ihr Vater
hat mir vertraut.«
»Sir Benjamin hat
Sie damit betraut, Miss Metcalf, darauf zu achten, dass sie sich wie Damen mit
gutem Charakter benehmen. Wenn sie ungestraft davonkommen, bleiben sie böse und
ruinieren weiterhin das Leben anderer Leute. Emily wird morgen früh als erstes
gekündigt. Ich werde sie selber zur Postkutsche bringen. Was ist zwischen Ihnen
und Lord Huntingdon gewesen?«
»Er hat mit mir wie
mit der Dirne gesprochen, für die er mich hielt«, sagte Harriet.
»Nun, es leuchtet
ein, dass er vor Wut rasend ist, wenn man sieht, dass er Sie offensichtlich
sehr liebt.«
»Mich liebt? Der
Mann ist ein Wüstling!«
»Miss Metcalf«,
sagte Rainbird streng, »wenn ein Mann, der so reich und so schön ist wie der
Marquis of Huntingdon, einen Heiratsantrag macht, dann ist es klar, dass der
Mann sehr verliebt ist. Sie müssen wissen, dass ihn seine verstorbene Frau
betrogen hat und dass ihn das sehr tief verletzt hat.«
Harriet schaute den
Butler mit großen Augen an. »Wissen die Londoner Diener über uns alle so gut
Bescheid? Gibt es denn gar keinen Teil unseres Lebens, der nicht
auseinandergenommen wird?«
»Oh, doch«, sagte
Rainbird unbekümmert. »Aber wenn wir nichts auf das
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