03 - Sarggeflüster
einschenkte.
Meine Hände zitterten so stark, dass ich um ein Haar auf alle Konventionen gepfiffen und direkt aus der Flasche getrunken hätte.
Ahm, na ja. Genau das würde ich jetzt auch tun.
Ich setzte das Kristall an meine Lippen. Blut glitt meine Kehle hinab und ein Gefühl der Erleichterung durchströmte mich. Mein Hunger ließ nach und Zufriedenheit erfüllte mich von Kopf bis Fuß. Eigentlich zog Remy mich gar nicht an. Ich war bloß hungrig.
„Ich dachte, du willst, dass ich mich mit Jack unterhalte“, sagte Nina, als sie mich nach ihren fünfzehn Minuten mit Remy aufspürte.
Ich kippte mein drittes Glas. „Kleine Planänderung. Du machst das echt klasse.“ Ich hielt mein Glas hoch und prostete Remy zu, der uns gegenüber auf der anderen Zimmerseite stand. „Jetzt geh einfach schön wieder zurück zu ihm und halt ihn davon ab, zu mir hier rüberzukommen.“
„Und was ist mit deinem Bruder?“
Ich warf einen Blick auf Mandy und Jack, die wieder Seite an Seite dasaßen, während meine Mutter ihnen von der anderen Seite des antiken Beistelltischchens aus Kirschholz bitterböse Blicke zuwarf. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass meine Mutter die Wahrheit herausfindet.“
„Und er hat tatsächlich eine schlimme Infektion?“, erkundigte sich meine Mutter wenige Minuten später, nachdem ich sie in eine Ecke gezerrt und mit meiner Beichte angefangen hatte.
„Die allerschlimmste, die du dir vorstellen kannst.“ Ich nickte. „Extrem rot und total abstoßend, und es juckt schrecklich.“ War ich die Königin der Adverbien oder was? Ich schnitt eine Grimasse. „Echt eklig.“
„Lilliana“, meine Mutter nagelte mich mit ihrem Blick fest, „das ist das Absurdeste, was ich jemals gehört habe.“
Da geht es dir genau wie mir. Ich zuckte die Achseln. „Ich hab's selbst erst nicht glauben wollen, aber Jack hat's mir gezeigt.“
Ihre Ungläubigkeit verwandelte sich in Besorgnis. „Tatsächlich?“
„Ich hab es mit eigenen Augen gesehen.“ Ich verzog das Gesicht. „Und gerochen auch.“ Ich streckte die Zunge raus. „Ich kann nur sagen, ich weiß, was ich Jack zum nächsten Geburtstag schenke. Ein riesengroßes Geschenkset von Ralph Lauren.“
„Eine Infektion?“
„Die Mutter aller Infektionen.“
„Aber er ist doch immun gegen sämtliche Krankheitserreger.“
„Gegen sämtliche bekannten Krankheitserreger. Hier handelt es sich aber um etwas völlig anderes. Etwas Brandneues und unendlich Mächtiges.“ Ich senkte meine Stimme, um die immense Bedeutung meiner nächsten Worte zu unterstreichen. „Ein Bakterienstamm, der ganz gezielt Vampire befällt.“
Meiner Mutter verschlug es glatt den Atem, und ich bemühte mich, angemessen entsetzt zu erscheinen.
„Wenn sie erst einmal alle Vampire vernichtet haben, halten sie sich an die Wer-Geschöpfe und die Anderen und schließlich auch an die Menschen.“
„Dann greifen diese Bakterien also die Stärksten zuerst an?“
Ich nickte. „Und die Bestgekleideten.“
Meine Mutter sah aus, als ob sie gleich der Schlag treffen würde. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich kann es einfach nicht glauben.“
„Glaub's ruhig.“ Bitte, bitte, bitte glaube es.
„Ich kann mir nichts vorstellen, das so mächtig wäre“, insistierte sie. „Vampire sind in allem so überlegen.“
„Und höchst empfindlich. Das bedeutet, dass, wenn ein Vampir sich infiziert, die Symptome um ein Vielfaches verstärkt werden. Wo der Durchschnittsmensch einfach ein wenig Creme aufträgt und mit ein bisschen Kratzerei und vielleicht ein paar seltsamen Blicken vonseiten der Leute in der U-Bahn davonkommt, muss sich ein Vampir einer intravenösen, medikamentösen Behandlung unterziehen und riskiert, von der gesamten Nation gebürtiger Vampire gemieden zu werden.“ Ich wusste, dass ich gerade etwas dick auftrug, aber hier handelte es sich um meine Mutter. Wenn es darum ging, eine Lüge zu wittern, war diese Frau Columbo, Sam Spade und das ganze CSI: Miami-Team in einer Person.
„Das ist ja schrecklich.“
„Darum braucht Jack Mandy.“ Ich war noch lange nicht fertig mit meinem Lügengespinst. „Sie ist Ärztin.“ „Sie ist Gerichtsmedizinerin.“
„Ja, und in letzter Zeit haben sich die Fälle von Leichen, die aufgrund dieser widerwärtigen Bazillen den Löffel abgegeben haben, gehäuft. Sie ist so etwas wie eine Expertin geworden.“
„Ist das wirklich wahr?“
„Sie hat jede Menge Forschung betrieben und ist sogar für die Entwicklung des
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