03 - Schatten Krieger
gewährleisten.«
»Dein Gleichmut führt vielleicht deinen Untergang herbei«, meinte der Schattenkönig. »Sollte ich siegreich bleiben, wird meine Ordnung des Nachtreichs möglicherweise nicht nach deinem Geschmack sein.« »Falls Ihr siegreich bleibt, Herr, werdet Ihr Euch erheblich von dem unterscheiden, der Ihr heute seid«, erwiderte Xabo. »Was auch der Fall sein wird, wenn mein Gebieter, der Große Schatten, triumphiert. Eine Möglichkeit, die, wenn Ihr mir meine Offenheit verzeiht, das wahrscheinlichere Auskommen sein wird. Wenn sich die Essenz verändert, folgt ihr auch die äußere Erscheinung. Darauf bin ich vorbereitet.« Der Schattenkönig lachte und ging zu dem gähnenden, schwarzen Portal der Schattenpforte. »Dann bereite dich auch auf einen neuen Zweck und einen neuen Herrn vor!«
Mit diesen Worten trat er durch das Portal und verschwand.
Ich bin bereit, Herr, dachte Xabo. Nur, seid Ihr das ebenfalls?
Mehr als eine Stunde nach dem Verschwinden des Ondene-Schattenkönigs stand Tashil auf den Zinnen des übrig gebliebenen Seetor-Turmes an der Mündung des Vaale und lauschte einem Streitgespräch zwischen Dardan und Sounek.
»… und ein gewaltiger Schlund öffnete sich, und ein Reisender trat heraus«, berichtete Sounek gerade. »Das haben wir gesehen, also muss dieser Schlund der Seegott Grath gewesen sein.«
»Das behaupten jedenfalls die Ammenmärchen, die Ihr am Schürzenband Eures Kindermädchens gehört habt«, gab Dardan gereizt zurück.
»Ich hatte kein Kindermädchen«, konterte Sounek trocken. »Im Gegensatz zu Euch.«
Tashil mischte sich rasch ein. »Wenigstens sind wir uns einig, dass es Corlek Ondene war, der aus diesem Ding getreten ist.«
»Und der wieder unter dem Einfluss des Schattenkönigs stand«, meinte Dardan griesgrämig. »Was auch immer auf diesem Eiland der Schlummernden Gottheit geschehen ist, gut war es nicht.«
Sounek nickte. »Und wir haben nach wie vor keine Nachricht von Calabos oder Dybel.«
Tashil schüttelte den Kopf, während sie die beiden betrachtete.
In einem Moment gehen sie aufeinander los, im nächsten sind sie Brüder im Trübsinn
…
Sie erinnerte sich noch lebhaft an die gestrige wilde Flucht vor der plötzlichen und schrecklichen Ausdehnung der grauen Fäule. Sie hatte sich mit den anderen im Schankraum des
Braukessels
aufgehalten, wo sie versuchten, die blank liegenden Nerven nach den letzten Katastrophen zu beruhigen. Gerade hatten sie einem verwundeten Bogenschützen zugehört, der auf Ilgarions Marsch nördlich von Besh-Darok von einem Messerstich verletzt worden war, als panische Menschen von der Straße in den Schankraum stürzten und ihnen zuriefen zu fliehen. Sie stürmten nach draußen. Hunderte von Städtern waren zu Fuß, zu Pferde oder auf Karren zum Vaale unterwegs. Niemand wollte anhalten und ihnen mehr erklären, und sie bekamen nur ungenaue Bruchstücke aus den Leuten heraus, bis sie einen Gardisten in der Uniform des Palastes in der Menschentraube sahen und ihn kurzerhand aus der Menge zerrten. Auf ihre Fragen bestätigte er, was Tashil befürchtet hatte. Die graue Substanz im Palast hatte zu wachsen begonnen, und zwar mit einer Frucht einflößenden Geschwindigkeit. Es fraß sich durch Wände und brachte auf seinem Weg nach draußen ein Gebäude nach dem anderen zum Einsturz. Tashil hatte die Sache untersuchen wollen, aber die anderen hatten nachdrücklich dagegen gestimmt und daraufhingewiesen, dass es nur schwieriger sein würde, mit einem Boot oder über eine Brücke ans Nordufer zu entkommen, wenn sie lange zauderten, nicht leichter.
Also mischten sie sich unter die flüchtende Menschenmenge. Nur wenige Minuten später hatte Dybel die anderen daran erinnert, dass Enklar und die beiden Wachen Rog und Gillat in der Herberge neben der Schänke schliefen. Er hatte die eindringlichen Bitten der anderen ignoriert, sich gegen den Strom der Flüchtlinge zurückgearbeitet und ihnen versichert, dass er sie an der Mole einholen würde. Sie waren kaum bis zur nächsten Ecke gekommen, als ein panischer Aufschrei aus Tausenden von Kehlen hinter ihnen aufstieg. Sie drehten sich um und sahen die graue Fäule über den Rand der Klippe quellen. Zungen der Substanz sickerten langsam die Flanke des Felsens hinab.
Daraufhin verwandelte sich der Exodus in eine brüllende, panische Flucht, die Tashil, Dardan, Sounek und Inryk in einer Woge aus Leibern mitriss. Die nächste Stunde verstrich zwischen Panik und Wahnsinn, bei dem Tashil
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