03 - Schatten Krieger
verwechselt einen Moment der Überraschung mit den ersten Anzeichen von Gebrechlichkeit«, erwiderte Calabos lächelnd. »In den nächsten fünfzehn Jahre werde ich hoffentlich noch nicht senil werden.« Gräfin Ayoni sah Dardan an. »Habt Ihr schon versucht, ihn zur Vernunft zu bringen?«
»Ich habe es versucht,« bestätigte Dardan. »Einmal, vor etwa zehn Jahren.«
Calabos lächelte unmerklich, als er sich an diese Gelegenheit erinnerte. Die beiden Frauen betrachteten ihn jedoch nach wie vor besorgt, und er seufzte.
Ich bezweifle, dass einer von euch begreifen würde, dass mein wahres Alter drei Jahrhunderte beträgt und nicht sechs Jahrzehnte, dachte er. Oder dass ich körperlich weit kräftiger bin, als ich mich nach außen gebe. Nein, ich muss in diesem Punkt glaubwürdig bleiben.
Die vier Magier saßen an einem Tisch neben dem breiten Panoramafenster im Sommersalon der Loge. Draußen fielen gerade die letzten Tropfen eines kurzen Platzregens, und der nasse Garten vor dem Fenster glänzte im Sonnenschein.
Calabos breitete die Hände aus.
»Meine Freunde, Eure Sorge um mein Wohlergehen rührt mich.« Er sah von einem zum anderen. »Aber Euch sollte klar sein, dass wir im Augenblick heikle Zeiten durchleben, die zwangsläufig unsere Kraft und unsere Entschlossenheit beanspruchen, meine wie die von jedem anderen Wächter. Damit will ich sagen, dass ich mich nicht unnötig erschöpfen oder irgendwelche überflüssigen Risiken eingehen werde.«
Dardan wirkte skeptisch, enthielt sich jedoch eines Kommentars.
»Ihr seid unsere Stütze, Beitran«, meinte Gräfin Ayoni. »Ohne Eure Leitung würden die Wächter ihren Zweck einbüßen.«
»Sollte die Dunkelheit triumphieren, würden die Wächter ohnehin nutzlos.« Calabos richtete sich auf seinem Stuhl auf und lächelte herausfordernd. »Außerdem bin ich nicht ohne Verteidigung.«
Ayoni und Tashil nickten zustimmend, während Dardan nur mit den Schultern zuckte.
»Wie auch immer, kommen wir zum nächsten Punkt«, erklärte Calabos. »Ich habe heute Morgen mit Sounek und Inryk gesprochen und sie gebeten, mehr über die Jünger des Gestalters in Sejeend herauszufinden. Sounek versucht, sich in eine der fanatischeren Wallfahrergemeinden einzuschleichen, während Inryk seine unvergleichliche Kunst der Heimlichkeit einsetzt, den Hintergrund einiger hochrangiger Gestalter-Priester zu durchleuchten.«
»Ihr meint, er wird über die Dächer klettern und verschlossene Türen öffnen«, meinte Dardan. »Und nach Beweisen von Komplotten, Verschwörungen, Bestechungen und dergleichen suchen«, bestätigte Calabos.
»Also nehmt Ihr Tangaroths Verdacht ernst?«, wollte die Gräfin wissen.
»Nicht ganz«, erwiderte Calabos. »Ich glaube nicht wirklich, dass die Wallfahrer in Sejeend eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Tangaroth und andere, die Ilgarion nahe stehen, haben sich das jedoch nun einmal eingeredet. Allerdings haben wir Grund zum Zweifel, da wir nicht genug über die verschiedenen Gestalter-Gemeinden wissen. Deshalb habe ich Sounek und Inryk losgeschickt.«
»Ich habe Chellour und Dybel heute Morgen noch gar nicht gesehen, Meister«, merkte Tashil an. »Sind sie ebenfalls beschäftigt?«
Calabos nickte. »Sie suchen die Quellen der Dunkelheit auf.«
Allerdings nicht die Quelle des magischen Rufes von letzter Nacht, dachte er. Was die Anhänger des Gestalters angeht, weiß ich wenig über Ilgarions Inneren Zirkel und seine Motive, also ist der Palast ihr Ziel, ein geheimes Ziel.
»Macht Euch keine Sorgen«, fuhr er fort. »Auch Ihr beide habt wichtige Aufgaben zu erledigen. Gräfin, ich nehme an, dass Ihr mit Eurem Gatten an Ilgarions Audienz teilnehmen werdet? Gut, dann achtet bitte darauf, mit wem Ilgarion und Tangaroth sprechen. Es wäre vielleicht auch sehr hilfreich, wenn Ihr einige Gespräche belauschen könntet. Es ist eine Staatsangelegenheit, also werden alle formelle Masken tragen, was wir uns zunutze machen können.«
Calabos wandte sich an Tashil. »Ich möchte, dass Ihr Euch die Zeit nehmt, in verschiedenen Herbergen und Schänken einzukehren und auf Erzählungen von irgendwelchen merkwürdigen Vorfällen von letzter Nacht zu achten. Der Erzmagier mag glauben, dass die Gestalter-Wallfahrer hinter diesem magischen Ruf stecken, aber ich bin sicher, dass im Untergrund der Stadt noch jemand anders oder etwas anderes am Werke ist. Seht zu, was Ihr herausfinden könnt.« Er bedachte die beiden Frauen mit einem freundlichen Lächeln. »Muss ich Euch
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