03 - Sinnliche Versuchung
wäre jetzt ein kleines Nickerchen
angebracht und du bist heute Abend wieder taufrisch.«
Sebastian blies jetzt ins gleiche
Horn. Julianna stieß die Luft aus und blickte von einem zum anderen. »Ihr
werdet mich so lange traktieren, bis ich Ja sage, oder?«
»Das würden wir niemals tun!«
Dann fragte sie zuckersüß: »Darf ich
euch, meine lieben Brüder, zur Tür bringen?«
Keiner von ihnen machte Anstalten zu
gehen.
Sie presste die Lippen zusammen. Sie
hatte sich noch nie gegen ihre Brüder durchsetzen können und letztendlich
immer das getan, was sie wollten.
»Also gut. Wir treffen uns dort.«
»Wunderbar.«
»Devon wird sich wirklich freuen,
dich wiederzusehen.«
Julianna erhob sich
unmissverständlich.
Sie folgten ihr. Sebastian hielt den
Mund an Justins Ohr. »Ich gratuliere dir zu deiner Überredungskunst!«, flüsterte
er und die grauen Augen blitzten schalkhaft auf.
Justin schlug die Hacken zusammen.
»Und ich danke dir für deine großartige Unterstützung.« Julianna murmelte vor
sich hin. Lausejungen!
Um zehn Uhr abends stand Julianna am
Rand des Ballsaals der Farthingales. Ihr gegenüber führte Justin Arabellas
Hand zu einem Kuss an die Lippen und sah seine Frau wie ein Bernhardiner mit
treuherzigen Augen an. Ab und zu war sie überrascht, mit welcher Bewunderung er
sie hofierte und wie hingebungsvoll er als Vater war. Früher waren sie und der
Rest der Londoner Gesellschaft überzeugt, ihr Bruder Justin sei die Quintessenz
eines Frauenhelden — und damit der geborene Junggeselle.
Ihre Blicke wanderten zu Sebastian,
der mit ihrer Schwägerin Devon einen Walzer tanzte. Sie schauten sich in die
Augen, als ob es nur sie beide auf der Welt gäbe. Erst heute Abend hatten sie
verkündet, dass im Herbst eine neue Ausgabe der Familie Sterling erscheinen
würde.
Julianna hatte das Paar herzlich
umarmt und teilte aufrichtig ihre Freude. Aber jetzt hatte es ihrem Herzen
doch einen Stich versetzt. Julianna neidete ihnen nicht ihr Glück, keinem ihrer
Brüder. Gott wusste, dass sie es verdient hatten! Aber war es schlecht,
neidisch zu sein? Sich zu wünschen, was Sebastian mit Devon teilte? Was Justin
mit Arabella verband?
Sie seufzte. Sie hatte ihre Pflicht
getan. Sie war auf dem Ball erschienen und hatte sich der Gesellschaft gezeigt.
Jetzt konnte sie nach Hause gehen.
Aber dann ließ sie ein Geflüster
aufhorchen. Eine Gruppe von Frauen stand in Juliannas Nähe.
»... die Elster!«
Julianna wandte den Kopf. Die
Musiker hatten den letzte Takt gespielt und legten ihre Instrumente beiseite.
Vorsichtig wich sie zurück und verbarg sich hinter einer riesigen Vase, die mit
frischen Blumen dekoriert war.
»Er soll blendend aussehen. Ein
Gentleman. Das heißt, soweit dies bei einem Wegelagerer möglich ist.«
In der Stimme der Frau schwang
beinahe Bewunderung mit. Julianna konnte sie nicht erkennen. Sie hielt den
Atem an und lauschte angespannt.
Die andere protestierte. »Von wegen
blendend aussehend! Er ist ein skrupelloser Schurke! Kennst du Loretta? Sie
wurde von diesem Straßenräuber überfallen, das ist kaum drei Wochen her! Er
hat ihr nicht nur die Geldbörse geraubt, sondern auch einen Kuss und mit ihr
herumgeschmust. Vor den Augen ihres Mannes, stell dir das nur vor!«
Julianna sah rot. Oh, wie gerne wäre
sie jetzt hervorgetreten und hätte dieser Behauptung widersprochen! Sie
bezweifelte die Aussage der Frau. Am liebsten hätte sie jetzt erklärt, dass er
vor drei Wochen bei ihr war und keinesfalls fähig war, für seinen
Lebensunterhalt zu stehlen. Nicht nur das. Es sah Dane nicht ähnlich, so etwas
zu tun, wenn der Ehemann zusah. Ein Kuss, vielleicht ... vielleicht. Aber
schmusen? Niemals! Außerdem hatte sie in der Hütte nicht eine Geldbörse
gesehen — nur diese prall mit Geld gefüllten Säcke.
»Ich wette, dass er nicht mehr
blendend aussieht, wenn er den Hals in der Schlinge hat.«
Julianna merkte, wie ihr das Blut
aus dem Gesicht wich.
»Wie bitte?«
»Hast du heute Morgen nicht die
Tageszeitung gelesen? Die Belohnung, die man jetzt für seine Ergreifung
ausgesetzt hat, wurde nahezu verdoppelt. Er wird sicherlich irgendwann gefasst
werden. Der Glückliche, der diesen Räuber fängt und den Behörden ausliefert,
wird dann um eine beträchtliche Summe reicher sein.«
»Ha!«, machte die Erste, »wenn sein
Hals nicht vorher schon am Galgen hängt.«
Julianna zitterte vor Angst. Sie
zuckte zusammen, als sie jemand am Arm berührte.
Es war die verwitwete Duchess
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