03 - Sinnliche Versuchung
Abendanzug war
makellos. Schwarzer Rock, eine mit Seide bestickte dunkelgraue Weste, tadellos
gebügelte Hosen, blitzblanke Stiefel. Das schneeweiße Halstuch betonte das
sonnengebräunte Gesicht. Das wellige, lange Haar war kürzer geschnitten. Trotz
seiner formellen Kleidung hatte er nichts von seiner kraftvollen, männlichen
Ausstrahlung verloren, so dass sie Mühe hatte, genügend Luft in die Lungen zu
bekommen.
Trotzdem empfand sie eine beinahe
perverse Befriedigung, als sie seine Verblüffung sah. Julianna fing sich als
Erste und reichte ihm die weiß behandschuhten Fingerspitzen.
»Mylord. Wie war doch Ihr Name?
Viscount ...?« Eine bedeutungsvolle Pause folgte. »Granville ?« »Genau, Mylady.
Ich bin entzückt.«
Zähneknirschend fielen Julianna die
verschiedensten Bezeichnungen ein, die sie ihm an den Kopf hätte werfen können
— es war keine darunter, die sich hier gehörte. »Ganz meinerseits, Mylord.«
Kräftige Finger legten sich ihr um
die Hand, dann verneigte er sich tief. Als er sich aufrichtete, blickte er ihr
in die Augen. »Sie müssen mir verzeihen, aber ich habe Ihren Namen ebenfalls
nicht ganz verstanden.«
Ihm verzeihen? Nein! Niemals. Dieser
Schuft, dieser Weiberheld machte sich doch nur über sie lustig!
Sie hielt diesem verführerischen
Lächeln stand. »Sterling, Mylord. Julianna Clare Sterling.«
Der Druck auf ihrer Hand nahm zu.
Sie versuchte sie zurückzuziehen, aber er ließ es nicht zu.
Und jetzt war der Triumph bei ihm.
»Sagen Sie ...« Ein belangloses
Lächeln lag auf seinen Lippen. »... sind Sie zufällig mit Sebastian Sterling,
Marquess of Thurston, verwandt?«
»Sogar sehr nahe, Sir, das ist mein
Bruder.«
»Ausgezeichnet!«
Seine Augen sagten jedoch etwas
anderes. Die Musikanten hatten wieder ihre Plätze eingenommen. »Würden Sie
mir einen Tanz schenken, Mylady?« Er ließ ihr nicht die Möglichkeit, seine
Aufforderung abzulehnen. Geschickt hatte er ihre Finger in seine Armbeuge manövriert
und sie mit seiner Hand bedeckt. Er verbeugte sich kurz vor der Herzoginwitwe.
»Euer Gnaden, Sie entschuldigen uns?«
»Gewiss, meine Lieben! Aber gewiss
doch!«
Die Herzogin strahlte, als er
Julianna über den glänzenden Boden des Ballsaals wirbelte.
Nur der Schock hielt Julianna
aufrecht auf den Füßen.
Ihr Stolz hinderte sie, laut aufzuschreien und sein Arm, sich loszureißen oder
zu stürzen.
Sie wusste, dass irgendetwas nicht
stimmte. Seine Manieren, sein Redestil, seine Bildung. Ein Teil von ihr war
darüber hocherfreut.
Der andere am Boden zerschmettert.
Warum war er hier? Wie konnte er es
wagen, entdeckt zu werden! Wenn jemand erriet, dass er die Elster war...
Wer war er? Wer war er wirklich? Wer
war der wirkliche Dane? Der tollkühne Wegelagerer? Der elegante Adlige?
Er wandte leicht den Kopf und
streifte mit dem Kinn ihre Schläfe. Ihr Körper versteifte sich.
Sein Arm legte sich fester um sie.
»Locker sein«, murmelte er. »Ganz locker.«
Das wollte sie ja. Und wie sie das
wollte! Sein Duft, der ihr so vertraut war wie ihr eigener, machte sie
schwindelig. Wie wohl fühlte sie sich in seiner Nähe! In der Geborgenheit
seines kraftvollen Körpers, der sich im Dunkel der Nacht nahtlos an sie
geschmiegt hatte. An all das dachte sie und mehr ...
Aber genau genommen war er ein
Fremder ... oder nicht?
Sie wusste es nicht. Bei Gott, sie
wusste es nicht!
Sie neigte den Kopf zur Seite und
sah, dass er sie mit einem verschmitzten Lächeln beobachtete. »Warum lächelst
du so? Warum schaust du mich so an?«
»Ich glaube, das weißt du, Liebes.«
Julianna bekam einen steifen Rücken.
»Wer bist du? Wer bist du?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht
jetzt«, murmelte er. »Nicht hier.«
Obwohl er leise sprach, klang seine Stimme stahlhart.
»Sag es mir. Sag es mir jetzt.«
Ein Backenmuskel bewegte sich.
»Julianna ...« »Ich mache dir eine Szene.«
Die Kiefermuskeln spannten sich und
die Augen funkelten sie drohend an, aber sie ließ sich nicht einschüchtern. Mit
zusammengepressten Lippen schwang er sie herum, zur Terrasse hinaus und
steuerte auf einen verwunschenen Pfad im Park zu.
Schließlich blieb er zwischen zwei
steinernen Statuen stehen. Ein zarter Fliederduft schwebte über ihnen, aber
Julianna achtete nicht darauf. Schweigend, mit starrem Gesicht stand er im
Mondlicht vor ihr.
»Du elender Schuft«, stieß sie
aufgewühlt hervor.
Seine Augenlider zuckten. »Wohl
kaum«, sagte er kühl.
Ihr drohte das Herz
entzweizubrechen. Sie war einer
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