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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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weder seine unfreundliche Begrüßung noch die Tatsache, daß alle so trübsinnig sind. Cashel war früher immer ein Palast, den Lachen erfüllte.«
    Der Krieger wirkte verlegen.
    »Dein Bruder wird dir erklären, wie es steht, Schwester.«
    Er erreichte eine Tür, doch bevor er klopfen konnte, wurde sie von innen aufgerissen.
    »Fidelma!«
    Ein junger Mann kam eilig aus der Tür heraus. Schon ein flüchtiger Blick verriet, daß er und Fidelma verwandt waren. Sie waren von dem gleichen hohen Wuchs, hatten das gleiche rote Haar und die wandelbaren grünen Augen, und sie besaßen die gleiche Gesichtsstruktur und Bewegungshaltung.
    Bruder und Schwester umarmten sich herzlich. Atemlos hielten sie sich dann auf Armeslänge und betrachteten einander prüfend.
    »Die Jahre sind gut zu dir gewesen, Fidelma«, stellte Colgú mit Befriedigung fest.
    »Auch zu dir, Bruder. Ich machte mir Sorgen, als ich deine Botschaft erhielt. Es sind viele Jahre vergangen, seit ich zuletzt in Cashel war. Ich fürchtete, dir könnte ein Unglück zugestoßen sein. Aber du siehst gesund und munter aus. Doch diese Leute in der großen Halle, weshalb sind sie so düster und melancholisch?«
    Colgú mac Failbe Fland zog seine Schwester in das Zimmer und wandte sich zu dem hochgewachsenen Krieger um: »Ich lasse dich später holen, Cass«, sagte er, ehe er die Tür schloß. Sie befanden sich in einem Empfangsraum, in einer Ecke glomm ein Feuer. Ein Diener trat mit einem Tablett auf sie zu, auf dem zwei Becher mit Glühwein standen. Leichter Dampf stieg von dem heißen Getränk auf. Der Diener stellte das Tablett auf den Tisch und zog sich unauffällig zurück, während Colgú Fidelma zu einem Stuhl vor dem Feuer führte.
    »Wärme dich auf nach dem langen Ritt von Kildare«, meinte er, während draußen nach wie vor der Donner rollte. »Der Tag ist immer noch zornig auf sich selbst«, schloß er, nahm einen Becher mit Glühwein und reichte ihn seiner Schwester.
    Fidelma lächelte schelmisch, als sie den Becher hob.
    »So ist es. Aber trinken wir auf künftige bessere Tage.«
    »Dazu sage ich ›amen‹, kleine Schwester«, stimmte Colgú ihr zu.
    Fidelma kostete genießerisch den Wein.
    »Es gibt viel zu besprechen, Bruder«, sagte sie. »Viel ist geschehen, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Ich bin viel gereist, nach der Insel Colmcille, ins Land der Angelsachsen und sogar nach Rom.« Sie hielt inne, weil sie merkte, daß er sie etwas nachdenklich und besorgt ansah. »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Warum herrscht eine so melancholische Stimmung im Palast?«
    Ihr Bruder runzelte die Stirn.
    »Du hast schon immer scharf beobachtet, kleine Schwester«, seufzte er.
    »Was ist, Colgú?«
    »Ich fürchte, ich habe dich nicht zu einem Familientreffen herkommen lassen«, gestand er leise.
    Fidelma sah ihren Bruder an und wartete auf weitere Erklärungen. Als sie nicht kamen, sagte sie ruhig: »Damit hatte ich auch nicht gerechnet. Was ist los?«
    Colgú blickte sich beinahe ängstlich um, als wolle er sichergehen, daß ihn niemand hören könne.
    »Der König …«, begann er. »König Cathal ist von der Gelben Pest befallen worden. Er liegt in seinem Zimmer im Sterben. Die Ärzte geben ihm nicht mehr viel Zeit.«
    Fidelma schloß die Augen, doch im Innersten war sie von der Neuigkeit nicht überrascht. Seit zwei Jahren verbreitete sich die Gelbe Pest nun schon durch Europa und dezimierte die Bevölkerung. Zehntausende waren ihr zum Opfer gefallen. Sie verschonte weder den niederen Bauern noch den selbstbewußten Bischof, noch die erhabenen Könige. Erst vor achtzehn Monaten, als die Pest Éireann erreichte, waren die gemeinsam regierenden Großkönige von Irland, Blathmac und Diarmuid, beide innerhalb weniger Tage in Tara daran gestorben. Vor wenigen Monaten war Fáelán, der König von Laigin, ihr erlegen. Und die Pest wütete unvermindert weiter. Im ganzen Land gab es zahllose Waisenkinder, deren Eltern die Pest hinweggerafft hatte und die nun hilflos verhungerten. Einige Glaubensmänner, wie der Abt Ultan von Ardbraccan, hatten Waisenhäuser eingerichtet und die Pest bekämpft, während andere sich verhielten wie Colmán, der Rektor der Hochschule des heiligen Finnbarr in Cork, der einfach seine fünfzig Schüler genommen hatte und mit ihnen auf eine einsame Insel geflohen war, um der Pest zu entgehen. Fidelma wußte sehr gut, was für eine Geißel die Gelbe Pest war.
    »Hast du mich deshalb kommen lassen?« fragte sie. »Weil unser

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