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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Midach den Vorwurf, er habe eine Liebschaft mit Schwester Necht? Bist du sicher? Nein«, fuhr sie rasch fort, »besser ist es, ich weiß es ganz genau. Ich glaube, ich muß mit Bruder Martan sprechen.«
    Cass lächelte selbstzufrieden.
    »Deshalb habe ich ihn ja hierbehalten. Er sitzt oben im Zimmer und wartet auf dich.«
    Bei dem jetzt besseren Licht betrachtet, sah Bruder Martan recht schwächlich aus. Er war mittleren Alters und hatte einen blassen Teint, schlechte Zähne und hustete schwindsüchtig, was ihm nur erlaubte, in kurzen, atemlosen Stößen zu reden. Er stand auf, als Fidelma eintrat, doch sie winkte ihm, er solle sitzen bleiben.
    »Vor allem möchte ich dir danken, Martan, daß du die Leinenstreifen aufgehoben hast. Sie haben uns gute Dienste geleistet.«
    Seine trübe Miene veränderte sich nicht.
    »Du hast meinem Kollegen hier«, sie deutete auf Cass, »erzählt, daß Midach mit Dacán Streit hatte.«
    In Martans Gesicht zeichnete sich Beunruhigung ab.
    »Ich will niemanden irgendwie in Mißkredit bringen …«, begann er. »Midach war immer freundlich zu mir, und ich möchte ihm auf keinen Fall schaden.«
    Fidelma hob besänftigend die Hand.
    »Soweit ich weiß, hast du Cass lediglich ein paar Tatsachen mitgeteilt. Gab es einen solchen Streit wirklich? Die Wahrheit zu sagen, Martan, ist immer der einfachste Weg.« Das fügte sie hinzu, weil sie merkte, daß ihm plötzlich klargeworden war, was seine Worte nach sich ziehen konnten.
    »Ich möchte Bruder Midach keinen Ärger machen«, beharrte er.
    »Hat er sich mit Dacán gestritten oder nicht?« fragte Fidelma.
    Martan nickte widerwillig.
    »Erzähl mir davon«, forderte Fidelma ihn auf.
    »Es war an dem Tag, bevor man Dacán fand. Ich lief zufällig den Gang zur Bibliothek entlang. Ich wollte ein Exemplar der ›Aphorismen des Hippokrates‹ ausleihen, das die Abtei besitzt.« Er sagte es voller Stolz. »Ich hörte Stimmen aus dem kleinen Nebenzimmer, in dem Schwester Grella ihr Büro hat. Es liegt neben der Haupthalle der Bibliothek und hat eine Tür zum Gang.«
    Fidelma wartete geduldig, während der Bruder seine Gedanken ordnete.
    »Ich hörte Bruder Midachs zornig erhobene Stimme und blieb deshalb an der Tür stehen. Es überraschte mich, ihn in der Bibliothek zu finden. Es war auch ungewöhnlich, daß irgend etwas Bruder Midach zum Zorn reizte, denn sonst ist er ein ruhiger und ausgeglichener Mensch.«
    Er hielt verlegen inne.
    »Sprich weiter«, bat ihn Fidelma. »Du bliebst an der Tür stehen? Was geschah dann?«
    »Ich tat das nur, weil es so ungewöhnlich war, daß Midach in Zorn geriet«, wiederholte Martan, als wolle er sich vom Vorwurf des Lauschens befreien. »Ich erkannte, daß der, mit dem er sich stritt, kein anderer war als der Ehrwürdige Dacán.«
    »Und der Grund für den Streit?«
    »Anscheinend hatte Dacán Midach beschuldigt, seine Aufzeichnungen durchsucht und Material gelesen zu haben, auf das er kein Recht besaß. Midach stritt das natürlich energisch ab. Dacán war so außer sich vor Wut, daß er drohte, er werde sich über Midach beim Abt beschweren.
    Midach antwortete, dann werde er sich darüber beschweren, daß Dacán das Personal des Gästehauses wie Sklaven behandelte, insbesondere Schwester Necht. Darüber geriet Dacán in solche Rage, daß er Midach vorwarf, er habe ein Verhältnis mit Schwester Necht. Midach schien das ernst zu nehmen und antwortete, er handele lediglich als Pflegevater für Necht und sein Verhältnis zu ihr sei rein väterlich. Außerdem, fügte Midach hinzu, gehe das Dacán gar nichts an.«
    Es überraschte Fidelma nicht, daß Midach sich als Nechts Pflegevater bezeichnete. Es war üblich, daß Kinder im Alter von sieben Jahren zur Ausbildung aus dem Haus geschickt wurden. Das nannte man in Pflege geben, und die Pflegeeltern waren verpflichtet, ihre Pflegekinder entsprechend deren Rang zu unterhalten und für ihre Ausbildung zu sorgen. Ein Mädchen würde seine Ausbildung meist mit vierzehn Jahren abschließen, obwohl einige Mädchen sie, wie Fidelma, fortsetzten, bis sie siebzehn waren. Doch vierzehn Jahre war für ein Mädchen das Alter der Wahl und der Reife. Bei einem Jungen dauerte die Ausbildung bis zum siebzehnten Lebensjahr. Eine Pflegschaft war ein gesetzlicher Vertrag, der für beide Haushalte von Nutzen sein sollte. Nach dem Gesetz gab es zwei Arten von Pflegschaft. Die eine basierte auf »Zuneigung« und sah kein Honorar vor. Bei der anderen bezahlten die natürlichen Eltern für

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