Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
allen gemeinsame Tracht dagegen besteht in dem Rebozo, einem vier Ellen langen Shawl, welcher zugleich als Kopfputz dient. Die Damen tragen ihn in Gesellschaft gewöhnlich über die Schulter gehängt, so ungefähr, wie man ihn bei uns zu tragen pflegt. Wenn man aber ausgehen, nach der Siesta seine Freundinnen besuchen oder abends promenieren will, so wird der Rebozo über den Kopf genommen; er bedeckt nach hinten zu die Frisur, läßt aber das Gesicht frei. Da er nun in der Regel fein und schleierartig ist, so kann er auch als Schleier benützt werden, und in diesem Fall bedeckt er nicht nur den Kopf, das Gesicht und die Schultern, sondern er hüllt die ganze Figur ein.
    Der Rebozo einer vornehmen Mexikanerin muß von indianischen Händen gewebt sein – geflochten könnte man vielmehr sagen, und da er die Arbeit zweier Jahre verlangt, so ist der Preis von achtzig Piastern gewiß ein sehr mäßiger. Es gibt übrigens solche, welche das Doppelte dieser Summen kosten.
    In einem solchen Rebozo präsentierten sich jetzt unsere Damen. Sie hatten Gesicht und Hände gewaschen; die Füße staken in Strümpfen und Schuhen. Wenn ich sie nicht vorher in ihrem Haus- oder vielmehr Ranchokleid gesehen hätte, würde wenigstens die jüngere einen recht befriedigenden Eindruck hervorgebracht haben.
    Sie nahmen am Tisch Platz, um die ‚Honneurs zu machen‘, überließen aber die Beschickung der Tafel bis in das kleinste der alten Negerin. Auffällig war, daß sie unausgesetzt von ‚Señor Allano‘ sprachen, und es stellte sich infolgedessen bei mir der Verdacht ein, daß die kleine Señorita Alma auf den schmucken Juwelier ein wenig Jagd gemacht habe und ihn auch heute noch nicht vergessen könne.
    Die Gerichte, welche es gab, waren echt mexikanisch: Rindfleisch mit Reis, der durch spanischen Pfeffer ziegelrot gefärbt war; Mehlspeisen mit Knoblauch, trockene Gemüse mit Zwiebeln, Hammelfleisch, durch gewöhnlichen Pfeffer schwarz gefärbt, junge Hühner mit Zwiebeln und Knoblauch und zuletzt ein Rippenbraten mit spanischem Pfeffer und Zwiebeln und gewöhnlichem Pfeffer und Knoblauch. Mir war der Mund so gepfeffert, der Schlund so gezwiebelt und der Magen so geknoblaucht, daß ich hätte improvisieren mögen:
    „Und hab ich das Zeug hinuntergebracht So ist's mir ganz zum Verzweifeln,
Als hätt' ich die Hölle hinuntergeschluckt
Mit Millionen von Teufeln.“
    Die zarten Damen indessen waren weniger empfindlich als ‚Old Shatterhand‘ und steigerten den Genuß durch fleißige Schlucke Basilikjulep , denen dann die unvermeidliche Zigarette folgte, und damit unser Bob nicht zu kurz kam, mußte ihm einer der Vaqueros auf einer alten, abgetretenen Strohmatte seine Portion hinaus zu den Pferden tragen, zu welcher auch ein Julep gehörte, der in einer leeren Pomadebüchse beigefügt wurde. Vielleicht verwandelte sich der Fusel unterwegs mit den in der Büchse noch befindlichen kosmetischen Resten in eine heilsame und empfehlungswerte Karfunkelsalbe!
    Von einer Fortsetzung unserer Reise war für heute keine Rede. Señorita Alma kam nicht von der Seite meines guten Bernard fort, und ich unglückseliger Westmann hatte meine wohlberechnete Höflichkeit mit der unzertrennlichen Gesellschaft der Señora Eulalia zu büßen. Sosehr sich diese bei ihrem ersten Auftreten – gut bayerisch gesprochen – als eine echte ‚Zuwiderwurzen‘ gezeigt hatte, so viele Liebenswürdigkeit träufelte jetzt aus jedem ihrer Worte. Ich avancierte in ihrer Titulatur von Old Shatterhand über Señor Carlos zu Don Carlos, und als Bernard seine Schicksale erzählte, erlitt ich eine schnelle Metamorphose zum braven und wackeren Carlos. Schließlich, als wir uns von der Tafel erhoben, fragte sie ihren lieben Carlos, was er seiner Braut als Reise-Andenken mit nach Deutschland nehmen werde. Ich konnte natürlich diese so schlau versteckte Erkundigung nicht mit einer Unwahrheit beantworten und sagte ihr, daß ich nicht das mindeste Recht habe, ein Souvenir de voyage mitzubringen, da ich in den Personalstandsregistern als ‚eine ledige Mannsperson‘ zu verzeichnen sei. Um sie ihren häuslichen Pflichten nicht weiter zu entziehen, teilte ich ihr mit, daß ich unsere Pferde inspizieren müsse, und ging hinaus zu Bob.
    Dieser lag mit seinem Bauch auf der Erde, machte mit Händen und Füßen allerlei mir unverständliche Bewegungen und stieß dabei so fabelhafte Töne aus, daß es mir schien, als studiere er auf einem japanesischen Anklony (ein aus 24 Bambusstücken

Weitere Kostenlose Bücher