03 - Winnetou III
befanden, die Umarmung aber zu unterlassen.
„Ich bin hierher gekommen“, meinte er dann, „nur um meinen Bruder zu suchen. Wo befindet er sich jetzt, Doña Eulalia?“
„Alma, meine Tochter, war bei meiner Schwester. Als sie hierher zurückkehren mußte, bereitete er sich vor, nach den Minen zu gehen. Sind diese alle Eure Freunde, Señor Bernardo?“
„Alle! Ich habe ihnen viel, sehr viel, sogar die Freiheit und das Leben zu verdanken. Dieser Señor Old Shatterhand hat mich vom Tod des Verschmachtens, aus der Hand der Pfahlmänner und aus der Gefangenschaft der Comanchen befreit.“
Sie schlug aufs neue ihre Hände zusammen.
„Ist's möglich! Solche Abenteuer habt Ihr erlebt? O, die müßt Ihr uns erzählen! Aber, wie kommt es, daß Ihr ein Mormone seid, und Euer Bruder nicht?“
„Wir sind keine Mormonen, Doña Eulalia! Wir machten nur einen Scherz.“
Schnell drehte sich die Dame zu dem Ranchero herum.
„Hört Ihr's, Don Fernando de Venango e Gajalpa, sie sind keine Mormonen und keine Räuber und Mörder! Ich spreche sie frei. Sie werden unsere Gäste sein und bei uns bleiben, solange es ihnen gefällt. Alma, laufe schnell in die Küche, und hole die Flasche mit Basilikjulep! Wir müssen den Willkommen trinken.“
Bei dem Wort Basilikjulep heiterte sich die Miene des Ranchero augenblicklich auf. Es schien, als ob er nur bei besonders festlichen Angelegenheiten mit dieser Flasche in Berührung käme, und daher war es ihm auch nicht zu verargen, daß er sich freute, unser Erscheinen als eine solche Angelegenheit behandelt zu sehen. Ich erkannte bereits jetzt in dem Julep das beste Mittel zur Versöhnung zwischen ihm und uns.
Señorita Alma sprang fort – fast möchte ich sagen, daß der Schmutz an ihren Füßen platzte – und kehrte in eben diesem Lauf mit einer großbauchigen Flasche und einem Glas von entsprechender Größe zurück. Wer da weiß, welch elenden Fusel die Yankees unter dem Titel Julep in jene Gegenden bringen, der wird sicher der Überzeugung sein, daß wir von dem Zeug höchstens genippt, die Damen von demselben gar nicht getrunken haben. In Beziehung auf uns müßte ich ihm recht geben; von den Damen aber trank jede ihr Glas mit einem Behagen aus, als ob sie Lunel vor sich hätten. Winnetou genoß nicht einen Tropfen, wie er überhaupt niemals ‚Feuerwasser‘ trank. Der Ranchero schenkte sich jedoch solange ein, bis ihm seine resolute Wirtschafterin die Flasche entriß.
„Nicht zuviel, Don Fernando de Venango e Rostredo y Colonna! Ihr wißt, daß ich nur noch zwei Flaschen von dieser Sorte habe. Führt die Señores in das Zimmer. Die Damen werden zunächst Toilette machen und dann den Hunger stillen, den ihr alle gewiß haben werdet. Komm, Alma! A dios, Señores!“
Die ‚Damen‘ verschwanden in einem Mauerloch, hinter welchem entweder ihre Garderobe oder die Küche, vielleicht auch beides zugleich liegen mußte; wir aber wurden von dem Ranchero in den Raum geleitet, welchen Señora Eulalia mit dem Namen ‚Zimmer‘ beehrt hatte, der aber anderorts mit dem Wort ‚Tenne‘ bezeichnet worden wäre. Einen Tisch gab es da, einige aus rohen Stangen zusammengenagelte Bänke auch; wir konnten also Platz nehmen. Dabei bemerkten wir, daß sich die Vaqueros sehr eilfertig über unsere Pferde machten, um den Inhalt unserer Satteltaschen zu untersuchen. Ich ging daher hinaus, um den Inhalt mit den Taschen selbst in Sicherheit zu bringen, denn ich kannte die vielbewährte Ansicht, daß der beste Vaquero unbedingt auch der größte Spitzbube ist. Bob mußte bei den Pferden bleiben, um sie bei der Weide, die sie vor dem Tor fanden, zu beaufsichtigen. Er beklagte sich bitter über diese Maßregel.
„Massa jetzt essen viel' gut' schön' Sachen in Zimmer. Warum da Nigger Bob bleiben müssen bei Pferden?“
„Weil du stärker und tapferer bist, als Winnetou und Sans-ear, und ich dir also unsere guten Pferde ruhig anvertrauen kann.“
„Oh, ah, das ist sein richtig! Bob sein stark und mutig und werden aufpassen, daß niemand angreifen Pferde!“
Er war zufrieden gestellt. In das Zimmer zurückgekehrt, fand ich eine sehr einsilbige Unterhaltung vor, bis endlich die Damen erschienen. Sie waren gegen vorhin jetzt allerdings äußerlich gänzlich umgewandelt und trugen sich wie Damen auf der Alameda zu Mexiko.
Die Kleidung der mexikanischen Damen ist nur hin und wieder die europäisch moderne. Hüte und Hauben sind selbst bei den größten Putznärrinnen etwas Unbekanntes; eine
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