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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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als wir fünf sofort nach meinem Jagdhieb die Büchsen gegen sie erhoben, gerieten sie sichtlich in Verlegenheit. Ich nahm das Wort:
    „Fürchtet Euch nicht, Señores; es wird Euch kein Leid geschehen, wenn Ihr verständig seid. Wir wollen Euch nur auf einen kleinen Irrtum aufmerksam machen, und dann steht es Euch frei, ganz nach Belieben mit uns zu verfahren.“
    Jetzt trat ich etwas näher an die Stühle heran und machte meine tiefste und respektvollste Verbeugung.
    „Doña Eulalia, ich bin ein Verehrer der Schönheit und ein leidenschaftlicher Bewunderer der weiblichen Tugenden. Darf ich Euch bitten, zu erwachen und mir einen Blick aus Euren holden Augen zu schenken?“
    „Ahhh!“
    Mit diesem langgedehnten Seufzer der Erleichterung öffnete sie ihre kleinen Basiliskenaugen und gab ihrem gelben Gesicht einen Ausdruck, welcher schmachtend sein sollte, aber mehr angstvoll und verlegen war.
    „Schöne Doña, Ihr habt gewißlich gehört von den court d'amour, von den Liebeshöfen früherer Zeiten, in welchen die bewundertste der Damen zu Gericht saß und ein jeder sich ihrem Ausspruch fügen mußte. Das Gericht, welches Don Fernando über uns halten will, kann kein gerechtes sein, da er selbst Partei ist. Wir bitten ihn, seine Gewalt in Eure zarten Hände zu legen, und sind überzeugt, daß Euer Urteil nur den wirklichen Missetäter treffen wird!“
    „Ist das wirklich Euer Wunsch, Señor?“ flötete sie mit einer Stimme, welche genau so klang, als ob ihre Stimmritze zwischen zwei Scheuerbürsten angebracht sei.
    „Es ist unser vollster Ernst, Doña Eulalia! Zwar sind wir eigentlich nicht in der Lage, einer Dame von Euren Vorzügen unsere Aufwartung zu machen, denn wir befinden uns bereits seit Monaten im wilden Westen; aber die Güte ist ja der schönste Schmuck des weiblichen Geschlechtes, und so hoffen wir, daß Ihr unsere Bitte erhören werdet!“
    „Seid Ihr wirklich die Männer, deren Namen Ihr Euch gegeben habt?“
    „Wirklich!“
    „Hört Ihr es, Don Fernando de Venango y Gajalpa? Diese berühmten Señores haben mich zur Richterin über sie gesetzt Ihr wißt, daß ich keinen Widerstand dulde. Seid Ihr's zufrieden?“
    Er machte eine sehr saure Miene, schien aber seiner Doña keineswegs gewachsen zu sein und war wohl auch froh, wieder freien Atem schöpfen zu können.
    „Übernehmt das Amt, Señora Eulalia! Ich bin überzeugt, daß Ihr die Burschen hängen werdet.“
    „Je nach ihren Verdiensten, Don Fernando de Colonna e Molynares!“
    Dann wandte sie sich zu mir:
    „Sprecht, Señor; ich gebe Euch das Wort!“
    „Ich setze den Fall, Doña Eulalia, Ihr wäret ein hungriger, müder Reisender und fändet in der Savanne eine Kuh, deren Fleisch Euren Hunger stillen könnte. Dürftet Ihr diese Kuh töten, wenn Ihr das Fell derselben ihrem Besitzer lassen wolltet?“
    „Natürlich; so ist es ja überall der Brauch!“
    „Nein, so ist es nicht überall der – – –“ wollte der Ranchero einfallen; sie aber unterbrach ihn schnell:
    „Still, Don Fernando! Ich habe jetzt hier zu befehlen, und Ihr dürft nur dann sprechen, wenn ich Euch dazu auffordere!“
    Er legte sich mit Resignation in den Stuhl zurück. Auch aus den Mienen der Vaqueros ließ sich schließen, daß Señora Eulalia die eigentliche Gebieterin des Rancho sei.
    „Das war unser ganzes Verbrechen, Doña“, fuhr ich fort. „Da kam dieser Vaquero, welcher hier am Boden liegt, warf den Lasso über Señor Marshal, der hier vor Euch steht, und riß ihn mit sich fort. Er hätte ihn getötet, wenn ich das Pferd des Vaquero nicht niedergeschossen hätte!“
    „Marshal! Dieser Name ist mir teuer. Ein Señor Marshal, Allano Marshal, wohnte bei meiner Schwester in San Francisco.“
    „Allan Marshal? Vielleicht aus Louisville in den Vereinigten Staaten?“ rief ich verwundert.
    „Natürlich, natürlich; dieser und kein anderer ist es! Kennt Ihr ihn?“
    „Freilich! Dieser Señor Bernard Marshal, Juwelier aus Louisville, ist sein Bruder.“
    „Sante Lauretta! Ja, das stimmt! Juwelier war er, und er hatte einen Bruder, welcher Bernardo heißt. Alma, dein Herz hat dich nicht getäuscht. Kommt in meine Arme, Señor Bernardo, denn Ihr seid mir willkommen!“
    Dieser plötzliche Freudenerguß entbehrte allerdings ein wenig der Erklärung, und obgleich Bernard hoch erfreut war, so unerwartet eine Kunde von dem Gesuchten zu erhalten, zog er es doch vor, nur die Hand der Señora leise in die Gegend zu bringen, in welcher sich seine Lippen

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