03 - Winnetou III
oder Dame zu ziehen?“
„Ihr werdet spitzig, Sir. Wollte nur hören, was Ihr sagtet. Ah, da tritt einer aus dem Zelt! Wer mag das sein?“
Der Apache griff in die Tasche und zog ein – Fernrohr hervor. Das war gewiß ein seltsamer Gegenstand in der Hand eines Indianers. Auch Fred Walker war überrascht. Aber Winnetou hatte die Städte des Ostens gesehen und es sich da gekauft. Er schob die Glieder des Rohres auseinander und setzte es an das Auge, um den Indianer, von dem Fred gesprochen hatte, genauer zu betrachten. Als er es wieder absetzte und mir hinreichte, zuckte ein grimmiges Wetterleuchten über sein Gesicht.
„Ko-itse, der Lügner und Verräter!“ zürnte er. „Winnetou wird seinen Tomahawk in seinen Schädel pflanzen!“
Ich blickte durch das Rohr und sah mir den Ogellallah mit großem Interesse an. Ko-itse heißt Feuermund. Der Träger dieses Namens war als ein guter Redner, ein sehr verwegener Krieger und ein unversöhnlicher Feind der Weißen in der ganzen Savanne und im ganzen Gebirge bekannt. Wenn wir es mit ihm zu tun bekamen, so hatten wir uns vorzusehen.
Ich gab das Rohr auch Walker zum Gebrauch und bemerkte dabei:
„Es wird geraten sein, uns zu verbergen. Es sind weit mehr Pferde als Männer zu sehen, und wenn auch viele der letzteren in den Zelten liegen mögen, so ist doch immerhin anzunehmen, daß noch welche in der Gegend umherschweifen.“
„Meine Brüder mögen warten“, meinte der Apache. „Winnetou wird einen Ort suchen, wo er sich mit den Freunden verbergen kann.“
Er verschwand unter den Bäumen und kehrte erst nach längerer Zeit zurück. Dann führte er uns seitwärts längs des Höhenrückens hin auf eine Stelle zu, an der das Unterholz so dicht war, daß wir es kaum zu durchdringen vermochten. Im Innern dieses Dickichts war genug Spielraum für uns und unsere Pferde, welche wir anbanden, statt sie anzuhobbeln, während der Apache zurückkehrte, um unsere Spuren unbemerkbar zu machen.
Hier lagen wir bis zum dunklen Abend im tiefen, duftenden Waldgras, jeden Augenblick bereit, beim geringsten verdächtigen Geräusch aufzuspringen und den Pferden die Nasen zu verschließen, damit ihr Schnauben uns nicht verraten könne. Als es vollständig finster war, schlich sich Winnetou davon und kehrte bald mit der Nachricht zurück, daß man unten einige Feuer angebrannt habe.
„Diese Menschen fühlen sich sehr sicher“, sagte Fred. „Wenn sie wüßten, daß wir ihnen so nahe sind!“
„Daß sie verfolgt werden, können sie sich denken“, antwortete ich. „Wenn sie sich also heut noch sicher fühlen, so kann dies nur daher rühren, daß sie überzeugt sind, daß die Stationsleute noch nicht hier sein können. Daraus möchte ich schließen, daß sie morgen aufbrechen werden. Wir müssen versuchen, etwas zu erfahren.“
„Winnetou wird gehen“, sagte der Apache.
„Ich gehe mit“, meinte ich. „Fred mag bei den Pferden bleiben. Die Gewehre lassen wir hier; sie würden uns nur im Weg sein. Messer und Tomahawk sind genug, und im äußersten Notfall haben wir noch die Revolver.“
Unser dicker Fred war sofort einverstanden, zurückzubleiben. Er besaß jedenfalls Mut genug, aber wenn es nicht durchaus nötig war, liebte er es wohl nicht, sein Leben zu exponieren; und ein Wagnis war es doch jedenfalls, hinunter in das Tal zu steigen, um die Ogellallah zu belauschen. Wer von ihnen entdeckt und ergriffen wurde, der war auf jeden Fall verloren.
Wir standen drei oder vier Tage vor dem Neumond. Der Himmel war bewölkt, und kein Stern ließ sich sehen; die Nacht war also für unser Vorhaben sehr günstig. Wir tappten uns aus dem Dickicht heraus bis zu der Stelle hin, an welcher wir am Nachmittag gehalten hatten.
„Winnetou geht rechts, und mein Bruder Scharlih mag links gehen!“ flüsterte der Apache, und im nächsten Augenblick war er bereits lautlos im Dunkel des Waldes verschwunden.
Ich folgte der Weisung des Freundes und schlich mich an der linken Seite des ziemlich steilen Abhanges hinunter. Ich erreichte, mich unhörbar zwischen den Büschen und Bäumen hinabwindend, die Sohle des Tales und erblickte nun die Lagerfeuer vor mir. Jetzt nahm ich das Bowiemesser zwischen die Zähne, legte mich lang in das Gras und schob mich langsam vorwärts, dem Häuptlingszelt zu, welches in einer Entfernung von ungefähr zweihundert Schritten vor mir lag. Vor demselben brannte ein Feuer, aber das Zelt warf seinen dunklen Schatten auf mich.
Ich gelangte nur Zoll für Zoll vorwärts,
Weitere Kostenlose Bücher