03 - Winnetou III
dann scharfe Wacht.
Stundenlang saß ich da oben, ohne etwas Auffälliges zu bemerken, aber das durfte meine Wachsamkeit nicht ermüden. Endlich sah ich im Norden vor mir eine Schar Rabenkrähen sich von den Baumwipfeln erheben. Das konnte aus Zufall geschehen sein; aber die Vögel erhoben sich nicht in geschlossener Schar, um sofort einer bestimmten Richtung zuzufliegen, sondern sie ‚streuten‘ in die Lüfte empor, kreisten einige Minuten wie ratlos über den Wipfeln und ließen sich dann eine Strecke davon vorsichtig auf die Bäume wieder nieder. Sie mußten aufgestört worden sein.
In kurzer Zeit wiederholte sich dasselbe Spiel und dann zum dritten und viertenmal. Es war klar: es kam irgendein Wesen, von dem die Krähen sich fürchteten, von Norden her durch den Wald geschlichen, und zwar so ziemlich in gerader Richtung auf meinen Standort zu. Ich kletterte so eilig wie möglich nieder und pirschte mich vorsichtig auf die Gegend zu, vorsichtig immer meine Fährte zerstörend.
Dabei erreichte ich ein ganz undurchdringlich scheinendes Buchendickicht, in welches ich mich hineinarbeitete. Hier legte ich mich zur Erde nieder und wartete. Nicht lange, so kam es geschlichen, nicht hörbar, sondern lautlos wie Gespenster: ein, zwei, drei, fünf, sechs Indianer schritten an meinem Versteck vorüber, einer nach dem andern. Ihre Füße berührten nicht den kleinsten Teil eines abgebrochenen und zu Boden gefallenen Ästchens; das Knicken desselben hätte Geräusch verursacht.
Das waren die Späher. Sie trugen die Kriegsfarben.
Kaum waren sie vorüber, so huschte ich hervor. Es war klar, daß sie den dichtesten Wald aufsuchen würden; auch mußten sie jeden Schrittbreit untersuchen, ehe sie vorwärts drangen. Das hielt sie auf. Ich aber konnte den geraden Weg einschlagen, die lichtesten Stellen benutzen und ohne Sorge vor Entdeckung heimkehren. Ich mußte ihnen also einen bedeutenden Vorsprung abgewinnen. Im eiligsten Lauf kehrte ich zurück, und es war kaum eine Viertelstunde vergangen, so glitt ich die steile Wand des Cañons hinab und auf das Lager zu.
Da unten herrschte ein regeres Leben als vorher, und ich bemerkte sofort, daß neue Leute angekommen waren. Eben schritt ich über die Schienenstrecke, als ich zu meinem größten Erstaunen Winnetou bemerkte, welcher von der Höhe herabgeklettert kam. Ich erwartete ihn und fragte, als er herangekommen war:
„Mein roter Bruder kommt zu gleicher Zeit mit mir! Hat er etwas gesehen?“
„Winnetou kommt, weil er nicht mehr zu warten braucht“, antwortete er. „Mein Bruder Scharlih hat ja die Späher entdeckt!“
„Ah! Woher weiß dies Winnetou?“
„Winnetou saß auf einem Baum und nahm sein Rohr zur Hand. Da erblickte er weit im Westen einen andern Baum. Das war die Gegend meines Bruders, und weil mein Bruder klug ist, so wußte Winnetou, daß er diesen Baum ersteigen werde. Dann nach langer Zeit erblickte Winnetou viele Punkte am Himmel. Das waren Vögel, welche vor den Spähern flohen. Mein Bruder mußte dies auch bemerken und nun die Späher beobachten. Darum kehrte der Häuptling der Apachen zum Lager zurück, denn die Späher sind da.“
Das war wieder einmal ein Beispiel von dem Scharfsinn dieses Indianers.
Bereits bevor wir den Kamp betraten, kam uns ein Mann entgegen, den ich vorher hier noch nicht gesehen hatte.
„Ah, Sir, Ihr kehrt von der Suche zurück?“ fragte er. „Meine Leute sahen Euch vom Felsen steigen und meldeten es mir. Meinen Namen kennt Ihr bereits. Ich bin Colonel Rudge und habe Euch großen Dank abzustatten.“
„Dazu hat es Zeit, Colonel“, antwortete ich. „Jetzt ist es vorerst notwendig, den Sprengschuß zu lösen, damit mein Kamerad gewarnt werde. Gebt dann auch Befehl, daß sich die Leute verbergen, denn bereits in einer Viertelstunde werden die Spione der Ogellallah von da oben herab das Lager beobachten.“
„Well, soll geschehen! Geht einstweilen herein; ich werde mich gleich wieder einstellen!“
Einige Augenblicke später erdröhnte der Schuß, der so stark war, daß Walker ihn jedenfalls hören mußte. Dann zogen sich die Arbeiter in die Blockhäuser und die andern Räumlichkeiten zurück, so daß nur einige wenige Leute zu bemerken waren, die sich scheinbar mit der gewöhnlichen Streckenarbeit beschäftigten.
Rudge suchte uns darauf im Vorratsraum auf.
„Nun, vor allen Dingen, was habt Ihr jetzt bemerkt, Sir?“ fragte er mich.
„Sechs Ogellallah, welche die Spione sind.“
„Well! Wir werden dafür
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