03 - Winnetou III
sich das Licht in zwei Punkte. Jetzt war es Zeit. Ich zündete den Asthaufen an, der sofort eine hochauflodernde Flamme gab, die bereits jetzt von dem Zug aus bemerkt werden konnte. Das Rollen desselben nahm immer zu; schon vermochte ich den durch die beiden Lichter verursachten Lichtkeil zu bemerken, welcher vor der Maschine die Dunkelheit durchbrach. In einer Minute mußte er mich erreicht haben.
Ich brannte meine Fackel an und lief, sie um den Kopf wirbelnd, dem Zuge entgegen. Der Maschinist erkannte natürlich, daß ich ihm ein Zeichen zum Halten geben wollte; er stoppte; drei schrille Pfiffe erschallten kurz hintereinander; die Bremsen legten sich kreischend an die Räder; ein ohrenzerreißendes Rauschen, Rollen, Zischen und Prasseln, und die Lokomotive hielt grad an der Stelle, wo mein Feuer am Bahndamm brannte. Der Maschinist neigte sich zu mir herab und fragte:
„Halloo. Mann, was soll Euer Zeichen bedeuten? Wollt Ihr vielleicht einsteigen?“
„Nein, Sir; ich möchte Euch grad im Gegenteil ersuchen, ab- und auszusteigen.“
„Fällt mir nicht ein!“
„Werdet es aber dennoch tun, denn da vorn sind Indianer, welche die Schienen aufgerissen haben.“
„Was sagt Ihr? Indianer? 's death! Redet Ihr die Wahrheit, Mann?“
„Habe keine Gründe, das Gegenteil zu tun!“
„Was wollt Ihr?“ fragte mich jetzt auch der Conductor, welcher abgestiegen und herbeigekommen war.
„Es sollen Rothäute vor uns sein“, antwortete ihm der Maschinist.
„Ist's wahr? Habt Ihr sie gesehen?“
„Gesehen und belauscht. Es sind Ogellallahs.“
„Die schlimmsten, die es geben kann! Wie viel?“
„Ungefähr sechzig.“
„Zum Henker! Das ist in diesem Jahr bereits der dritte Überfall eines Zuges, den die Halunken unternehmen; aber wir werden sie heimschicken. Habe längst gewünscht, eine Gelegenheit zu finden, ihnen auf die Finger zu klopfen. Wie weit sind sie von hier?“
„Drei Meilen ungefähr.“
„Dann deckt die Lichter zu, Maschinist! Die Kerls haben scharfe Augen. Hört, Master, ich bin Euch großen Dank schuldig dafür, daß Ihr uns gewarnt habt! Ihr seid ein Präriemann, wie ich an Eurem Habitus erkenne?“
„So etwas Ähnliches. Ich habe noch einen bei mir, der die Roten beobachtet, bis wir kommen.“
„Das ist klug von Euch. Aber, gebt Raum, Ihr Leute! Die Sache ist gar kein Unglück, sondern verspricht uns eine ganz verwünschte Pläsir.“
Man hatte vom nächsten Wagen aus unser Gespräch gehört und sofort alle Türen geöffnet Sämtliche Passagiere eilten herbei und drängten mit hundert Ausrufungen und Fragen durcheinander. Auf die Mahnung des Conductors aber wurde die nötige Ruhe hergestellt.
„Ihr habt einen Transport Gold und Silber bei Euch?“ fragte ich ihn.
„Wer sagt das?“
„Die Indsmen. Sie werden von einem weißen Bushheader angeführt, der das Metall als Anteil bekommt während das übrige samt allen Skalpen den Indianern zufallen soll.“
„Ah! Wie kann der Halunke wissen, was wir geladen haben!“
„Er scheint es von einem Bahnbeamten erfahren zu haben; auf welche Weise aber, das kann ich nicht sagen.“
„Werden schon dahinter kommen, wenn er lebendig in unsere Hände fällt, was ich sehr wünsche. Aber da sagt einmal, Master, wie Euer Name ist damit man weiß, wie man Euch zu nennen hat!“
„Mein Kamerad heißt Sans-ear, und ich – – –“
„Sans-ear? Alle Wetter, ein tüchtiger Kerl, der bei der Sache so viel tun wird, wie ein Dutzend andere! Und Ihr?“
„Mich heißen sie hier in der Prärie Old Shatterhand.“
„Old Shatterhand, der vor drei Monaten droben in Montana von mehr als hundert Sioux gejagt wurde und mit Schneeschuhen die ganze Strecke des Yellow-Stone vom Schneeberge an bis Fort Union in drei Tagen zurücklegte?“
„Ja.“
„Sir, ich habe manches über Euch gehört und freue mich, grad Euch einmal zu treffen! Aber sonderbar! Habt Ihr nicht bereits vor einiger Zeit einen Zug gerettet, den Parranoh, der weiße Häuptling der Sioux vernichten wollte?“
„Allerdings. Ich hatte damals den Apachenhäuptling Winnetou bei mir, den berühmtesten Indianer, soweit die Prärie reicht. Aber bitte, Sir, faßt einen Entschluß! Die Indianer wissen sehr genau, wann der Zug eintreffen muß, und könnten Verrat ahnen, wenn wir zu lange zögern.“
„Da habt Ihr recht. Vor allen Dingen möchte ich da wissen, welche Stellung sie einnehmen. Wer einen Feind angreifen will, muß sich unterrichten, welche Disposition derselbe getroffen
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