03 - Winnetou III
geraten.
„So ist's nicht gemeint, Sir! Ihr habt allerdings einen dummen Streich begangen, aber den will ich Euch vergeben.“
„Danke, Sir! Es berührt das Herz ungemein wohltuend, wenn die Mächtigen der Erde eine schöne Neigung zu Gnade und Barmherzigkeit verspüren lassen. Was werdet Ihr jetzt tun?“
„Was kann ich sonst tun, als die Schienen herstellen lassen und die Fahrt dann fortsetzen! Oder werden wir einen zweiten Angriff zu gewärtigen haben?“
„Denke es nicht, Sir. Eure Attacke war so ausgezeichnet ersonnen und ausgeführt, daß ihnen sicher die Lust vergehen wird, wiederzukommen.“
„Ihr wollt doch nicht etwa meiner spotten, Sir? Das möchte ich mir sehr streng verbitten. Ich konnte doch nicht dafür, daß es ihrer so viele waren und daß sie sich auf unseren Angriff in solcher Weise vorbereitet hatten!“
„Ich hatte es Euch gesagt. Die Ogellallahs wissen ihre Waffen vortrefflich zu gebrauchen. Seht hin; von Euren sechzehn Bahnarbeitern und zwanzig Milizmen sind nicht weniger als neun gefallen; ich habe das nicht zu verantworten. Und wenn Ihr bedenkt, daß ich und mein Kamerad nur zu zweien die ganze Rotte in die Flucht getrieben haben, so könnt Ihr ungefähr vermuten, wie es gegangen wäre, wenn Ihr mir statt Euch selbst gefolgt wäret.“
Er schien große Lust zu haben, mir zu widersprechen; es waren aber andere hinzugetreten, welche mir recht gaben, und so meinte er ziemlich kleinlaut:
„Bleibt Ihr noch hier, bis wir fort sind?“
„Das versteht sich! Ein rechter Westmann tut niemals halbe Arbeit. Macht euch ans Werk: zündet einige Feuer an, die euch dazu leuchten – Buschwerk ist ja genug dazu hier – und stellt einige Wachen aus für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Redmen sich ja noch einmal zurückwenden sollten.“
„Wollt Ihr das nicht übernehmen, Sir?“
„Was?“
„Die Wache.“
„Denke nicht. Ich habe genug für Euch getan und noch genug Anstrengungen zu erwarten, während Ihr dahin geht, wo Ihr Euch pflegen könnt. Eure Strategie wird Euch schon sagen, wie Ihr den Postendienst am besten einzurichten habt.“
„Aber wir haben keine so scharfen und geübten Augen und Ohren wie Ihr!“
„Strengt sie an, Sir, strengt sie ein wenig an; dann seht und hört Ihr ebenso scharf wie ich! Den Beweis will ich Euch sogleich geben. Seid still, ihr Leute, und horcht einmal nach links da hinaus! Hört ihr etwas?“
„Ja. Es kommt ein Pferd. Das ist sicher ein Wilder!“
„Pshaw! Glaubt ihr wirklich, daß ein Indsman so laut herbeigeritten kommt, um euch zu überfallen? Es ist mein Maate, und ich rate euch sehr, ihn höflich zu empfangen. Es ist Sans-ear, der keinen Spaß versteht!“
Allerdings war es Sam, der herbeigeritten kam und mit einer Miene von seiner Tony stieg, als ob er die ganze Welt erwürgen wolle.
„Habt Ihr mein Zeichen gehört?“ fragte ich ihn.
Er nickte bloß und wandte sich an den Conductor:
„Seid Ihr der Mann, der so schöne Feldzugspläne aussinnen kann?“
„Ja“, antwortete der Gefragte so naiv, so daß ich Mühe hatte, das Lachen zu unterdrücken.
„Well, Sir, dann mache ich Euch mein Kompliment, denn da hier meine alte Stute, die Tony, hat mehr Grütze im Kopf, als Ihr jemals gesehen habt. Aus Euch kann noch etwas werden. Nehmt Euch nur in acht, daß sie Euch nicht einmal gar zum Präsidenten wählen! Bleib, Tony, ich komme gleich wieder!“
Der brave Bahnbeamte stand ganz verblüfft da und wußte sichtlich gar nicht, was er sagen sollte. Selbst wenn er Worte gefunden hätte, so wäre es unmöglich gewesen, sie an den Mann zu bringen, denn Sans-ear war im Dunkel der Nacht verschwunden. Ich fragte mich natürlich, was meinen guten Sam in so ganz außerordentlich schlechte Laune versetzt haben könne, und konnte nichts anderes denken, als daß der Grund in jenem Fred Morgan liegen müsse. Jedenfalls war dies kein anderer als der weiße Bushheader, den ich von der Lokomotive gestoßen hatte. Wohin Sam jetzt gegangen war, konnte ich mir wohl denken; ich hätte baldigst ganz dasselbe getan, hatte aber bisher noch keine Zeit dazu gehabt. Nach einigen Minuten kehrte er zurück. Ich hatte mich niedergesetzt und sah den Vorbereitungen zu, welche man beim Schein der aufflammenden Feuer zur Reparatur des Bahngleises traf. Er nahm neben mir Platz; seine Miene war nicht freundlicher, sondern womöglich noch grimmbartiger geworden.
„Nun?“ fragte ich ihn.
„Was nun?“ herrschte er mich an.
„Sind sie tot?“
„Tot?
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