03 - Winnetou III
Familie zu tun hatte. Ich fand die Spuren nur dieses einen Tieres und konnte also ruhig sein. Übrigens blieben Bob und ich nicht lange allein. Man hatte natürlich meine Schüsse gehört und war, da man nicht wußte, wen ich gegen mich haben konnte, dem Ort zugeeilt, an welchem sie gefallen waren.
Alle erklärten das Tier für eines der größten, die man bisher gesehen hatte, und Winnetou bog sich nieder, um seinen Medizinbeutel (Talisman, von den indianischen Zauberern gefertigt) in das Blut desselben zu tauchen.
„Mein weißer Bruder hat gut getroffen; die Seele des Bären wird ihm danken, denn sie ist nicht gemartert, sondern schnell erlöst worden und darf nun gehen in die ewigen Jagdgründe ihrer Väter!“
Die Indianer glauben nämlich, daß in jedem grauen Bär die Seele eines berühmten Jägers wohne, die hier eine Läuterung, eine Art Fegfeuer zu erleiden habe. Er half mir, das Tier aus dem Fell zu bringen und die wertvollsten Fleischteile desselben abzulösen. Das übrige wurde so mit Zweigen, Steinen und Erde bedeckt, daß wir hoffen konnten, es werde kein Geier angezogen werden, der uns sehr leicht verraten konnte.
Der Apache hatte drüben auf der andern Seite des Tales bereits ein für uns und unsere Pferde geeignetes Versteck entdeckt, welches wir jetzt aufsuchten. Da es noch heller Tag war, so konnten wir es wagen, ein Feuer anzumachen und an demselben die saftigen Bärentatzen zu braten. Trefflich war denn auch die Mahlzeit.
Als es dunkel wurde, wickelten wir uns in unsere Decken und suchten, nachdem die Wachordnung bestimmt war, die Ruhe. Diese erlitt keine Störung, und selbst der größte Teil des nächsten Vormittags verging, ohne daß unsere Aufmerksamkeit durch irgend etwas Besonderes in Anspruch genommen ward.
Wir hatten am Eingang des Tales einen Posten aufgestellt; um die angegebene Zeit war Sam mit diesem Amt betraut. Er hatte noch nicht lange seinen Vordermann abgelöst, als er wieder zurückkehrte.
„Sie kommen!“ meldete er.
„Wer?“ fragte ich.
„Ja, das kann ich zum Beispiel noch nicht genau sagen, weil sie erst näher kommen müssen.“
„Wie viele sind es?“
„Zwei, zu Pferde.“
„Laß sehen!“
Ich eilte der bezeichneten Stelle zu und erkannte mit Hilfe meines Fernrohres die beiden Morgans, welche allerdings noch eine Viertelstunde zu reiten hatten, bis sie das Tal erreichten. Alle Spuren unserer Anwesenheit waren bereits sorgfältig vertilgt worden, und da wir ihnen außerdem an der Zahl überlegen waren, so konnten wir ihre Ankunft in aller Gemütsruhe abwarten.
Eben wollte ich mit Sam zurückkehren, als ich es über uns in den Büschen krachen hörte. War es vielleicht wieder ein Bär? Ein sorgfältigeres Horchen überzeugte uns, daß es zwei Wesen sein mußten, die sich bergabwärts uns näherten.
„All devils, Charley, wer mag das sein?“
„Werden wir gleich sehen. Schnell, zwischen die Sträucher!“
Wir verbargen uns, so daß uns die Zweige zwar vollständig deckten, wir aber sofort wehrfertig waren, wenn es sich ja um wilde Tiere handeln sollte. Einige Minuten später erkannten wir, daß wir es mit keinem Wild, sondern mit zwei Männern zu tun hatten, welche ihre Pferde mit sich zogen. Und diese zwei waren – der Capitano und Conchez. Ihre Tiere sahen außerordentlich mitgenommen aus, und auch die Reiter zeigten in ihrem ganzen Äußeren, daß sie eine schlimme Reise hinter sich haben mochten.
Unweit unseres Versteckes blieben sie halten; sie hatten da eine freie Aussicht hinaus in die Weite.
„Endlich!“ rief der Capitano mit einem Seufzer der Erleichterung. „Das war ein Ritt, wie ich ihn nicht bald wieder machen möchte. Aber wir kommen noch zur rechten Zeit; es ist noch niemand hier gewesen.“
„Woran seht Ihr es?“ fragte Conchez.
„Mein Versteck ist noch unberührt. Die Morgans sind also noch nicht hier gewesen, und wie sollte ein anderer grad hierher in diese abgelegene Gegend kommen?“
„Ihr habt wahrscheinlich recht. An diesen Sans-ear und Old Shatterhand denkt Ihr also nicht mehr?“
„Nein; denn wären sie den Morgans gefolgt, so hätten sie unbedingt auf die Comanchen stoßen müssen, und da wäre ihnen das Weitergehen wohl verleitet worden.“
„Aber wer ist jener nackte Indianer im Rio Pecos gewesen, und die weiße Leiche dort im Wasser?“
„Geht uns jetzt nichts an. Schaden kann uns niemand, denn wir haben die Comanchen zwischen uns und einem jeden, dem es etwa in den Sinn gekommen sein sollte, uns zu
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