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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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um unsere Pferde dort weiden zu lassen; es könnte eine Wache bei ihnen zurückbleiben, und wir hätten hier freie Hand.“
    „Klingt ganz gut“, meinte Sam; „aber kann nicht der Fall eintreten, daß wir unsere Tiere plötzlich brauchen? Ich gebe meine Tony nicht so weit weg!“
    „Well, so müssen wir im Wald nach einem versteckten Plätzchen suchen. Ich will mit Bob diese Seite absuchen, während Winnetou die andere Seite begeht. Ihr übrigen wartet bis wir zurückkommen.“
    Ich stieg ab, nahm meine Büchse und schritt mit dem Neger in den Wald hinein. Dieser stieg ziemlich steil an der Seite des Tales empor, und es war wegen der umgestürzten Bäume und der zahlreich zerstreuten Felsblöcke nicht leicht die Pferde hier heraufzubringen. Wir gingen nicht nahe, sondern in einiger Entfernung parallel miteinander fort und hatten wohl die zurückgelegte Strecke bereits halb hinter uns, als ich plötzlich Bob einen langen Schrei ausstoßen hörte.
    „Massa, oh, ah, Massa kommen schnell, schnell!“
    Ich wandte mich ihm zu und sah, wie er zum Stamm einer niedrigen Blutbuche sprang, den untersten Ast derselben erfaßte und sich emporschwang.
    „Was gibt's, Bob?“
    „Massa kommen schnell, helfen Nigger Bob! O nein, nicht kommen, sondern laufen und holen all' viel' ganz' Leute, um machen tot das Ungetüm!“
    Ich brauchte nicht zu fragen, welches Ungetüm er meinte, denn ich sah es eben jetzt durch das Unterholz brechen. Es war ein grauer Bär, einer von der liebenswürdigen Sorte, welche der Jäger Grizzly nennt.
    Ich habe den Löwen in der Wildnis jene Laute ausstoßen hören, welche der Araber mit dem Wort ‚Rad‘, d.i. Donner, bezeichnet; ich habe den bengalischen Tiger brüllen hören, und das Herz ist mir, wenn auch die Hand nicht zittern durfte, dabei unruhig geworden; aber das tiefe, heisere, heimtückische, dämonische Brummen des grauen Bären schneidet durch Mark und Bein und verursacht selbst dem Beherzten ein Gefühl, als wenn ihm die Zähne ‚eilig‘ würden, nur daß einem diese Empfindungen nicht bloß durch die Zähne, sondern durch den ganzen Körper läuft.
    Vielleicht noch acht Schritte von mir entfernt, richtete er sich auf den Hinterfüßen empor und riß den Rachen auf. Er oder ich – einer mußte sterben. Ich zielte auf das Auge und drückte ab, hielt in demselben Augenblick auf das Herz und gab den zweiten Schuß. Die Büchse wegwerfend, zog ich das Messer und sprang zur Seite, um so besser stoßen zu können. Das riesige Tier schritt kerzengerade auf mich zu, als seien beide Kugeln an ihm vorübergegangen – zwei, drei, fünf, sechs Schritte, und eben holte ich zum Stoß aus, als es die erhobenen Vordertatzen sinken ließ, ein beinahe heulendes Grunzen ausstieß, wohl eine Minute lang regungslos stehenblieb und dann wie unter einem gewaltigen Keulenschlag zusammenbrach. Die eine Kugel war ihm in das Gehirn und die andere in das Herz, also beide mitten in das Leben hineingedrungen. Ein Panther oder Jaguar wäre unter gleichen Verhältnissen wie eine Katze zusammengezuckt. Mein Grizzly war ruhig weitergegangen – nur noch zwei Schritte, und ich wäre verloren gewesen.
    „Oh, ah, gut, schön!“ rief Bob vom Baum herunter. „Bär richtig tot sein, Massa?“
    „Ja; komm herunter!“
    „Aber auch gewiß tot sein, Massa? Nicht fressen Nigger Bob?“
    „Er ist ganz tot.“
    So schnell, wie er hinaufgekommen war, kam Bob wieder herab; doch als er näher trat, zögerte sein Fuß. Ich selbst beugte mich mit aller Vorsicht zu dem Tier und stieß mein Messer wiederholt zwischen die bekannte zweite und dritte Rippe.
    „Oh, ah, groß Bär, sein mehr groß als ganz Bob! Kann Bob essen Bär!“
    „Ja; die Tatzen und die Schinken sind delikat.“
    „Oh, Massa, geben Bob auch Tatzen und Schinken, denn Nigger Bob sein sehr ganz viel gern delikat!“
    „Bekommst dein Teil wie jeder andere. Doch warte hier; ich komme gleich wieder!“
    „Bob warten hier? Oh, wenn nun Bär bekommen wieder Leben!“
    „Dann springst du wieder auf den Baum!“
    „Wenn Massa gehen, dann Bob lieber gleich springen auf Baum!“
    Wirklich saß er einen Augenblick später abermals oben auf dem Ast. Der gute Bob war kein Hasenfuß; er hielt menschlichen Feinden gegenüber recht wacker stand; einem Grizzly aber war er noch nicht begegnet, und so konnte ich ihm seine weise Vorsicht auch nicht übel deuten.
    Ich suchte zunächst die Umgebung ab, um zu sehen, ob ich es nur mit einem einzelnen Bären oder mit einer

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