030 - Die Teufelshexe
Wohnung.
Stille lag über den beiden Frauen, die sich vor fünf Minuten erst kennengelernt hatten. Doch die Angst verband sie.
Juliette Godolew schüttelte den Kopf.
Elsa Robeli nickte. Nein, sie würde nicht aufmachen.
Jetzt klopfte jemand an die Tür. Hart, erbarmungslos.
Elsa Robeli war leichenblaß.
»Aufmachen...«
Die Stimme, die das von draußen rief, hatte kaum etwas Menschenähnliches. Die Haustür erbebte unter den Schlägen.
»Rufen Sie die Polizei, Frau Robeli!«
Die helle Stimme der Französin war laut, drang sogar durch den Spalt der Wohnungstür.
»Ja«, sprach Elsa Robeli betont kräftig, »ich rufe sofort die Polizei an.« Doch sie rührte sich nicht vom Fleck.
Atemlos lauschten die beiden Witwen.
Jetzt hörte sie wieder Schritte von draußen. Sie entfernten sich. Langsam gingen sie die Treppe hinunter.
Elsa Robeli drehte sich um.
»Er geht...«
»Wie sah er aus?«
’»Er trug einen langen Mantel, hatte einen Hut mit breiter Krempe. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber — es war abscheulich. Mir zittern jetzt noch die Knie...«
»Kommen Sie!«
Elsa Robeli eilte an der Französin vorüber ins Wohnzimmer und stellte sich dort ans Fenster. Sie winkte Juliette Godolew.
»Wir warten, bis er aus dem Haus kommt«, flüsterte sie.
Dicht nebeneinandergedrängt, preßten die beiden Frauen ihre Köpfe an die Fensterscheibe.
Sie bemerkten, wie soeben ein alter, vorsintflutlicher Sportwagen vor dem Haus Flachsbohnenweg 4 hielt.
Zwei junge, flotte Damen stiegen aus, versperrten die Wagentüren und gingen auf die Haustür zu.
Gerade in diesem Augenblick trat jemand aus dem Haus.
»Ist es der Mann? Ich habe meine Brille nicht bei mir!« stieß Juliette Godolew hervor.
»Nein, es ist eine Frau. Sie wohnt aber nicht in unserem Mietshaus. Ich habe sie noch nie gesehen...«
»Wie sieht die Frau aus?«
»Sie trägt einen langen bunten Maximantel. Sie hat hohe Stiefel.«
»Und das Gesicht?«
»Kann ich nicht sehen. Ich weiß auch nicht, wie es kommt — aber ich habe Angst, daß diese Frau...«
»Aber vor der Tür stand doch vorhin ein Mann.«
»Ja. Die beiden jungen Damen bleiben stehen, sprechen mit der Dame im Maximantel.«
»Und jetzt?«
»Die Frau mit dem langen Mantel geht weiter. Etwas an ihren Schritten ist merkwürdig. Sie schleppt eine prall gefüllte Reisetasche. Sie macht einen sehr alten, hinfälligen Eindruck!«
»Wenn ich aber daran denke, wie der Mann gegen die Wohnungstür geklopft hat!« Juliette Godolew fröstelte. »Nein, der muß große Kräfte gehabt haben! Mir ist jetzt noch ganz übel vor Schreck.«
»Mir auch«, gestand Elsa Robeli leise. »Soll ich uns jetzt einen Kaffee kochen?«
»Aber wollen Sie nicht die Polizei anrufen? Der Kerl kann doch wiederkommen.«
»Die Polizei ist schon da.« Es läutete. »Da ist sie schon...«
Juliette Godolew staunte.
»Aber...«
»Die beiden jungen Damen gehören zur Polizei.«
Elsa Robeli lief auf den Korridor, sah zur Vorsicht noch einmal durch den Türspion und öffnete dann.
»Haben Sie einen Mann in langem Mantel mit Schlapphut gesehen, meine Damen?« empfing sie Kitty und Martha. »Der wollte hier eindringen, aber wir haben nicht aufgemacht.«
»Wir?« fragte Kitty. »Ist Ihr Enkel Ricky hier?«
»Nein, der ist bei seinen Eltern. Ich meine — hier ist Frau Godolew. Sie besuchte mich heute.«
»Godolew«, platzte Martha heraus. »Ihr Mann ist doch...«
»Unsere Männer haben fast dasselbe Schicksal«, sagte Juliette, auf die beiden jungen Beamtinnen zutretend, »deshalb kam ich heute her. Ich wollte Frau Robeli mitteilen, daß unsere beiden Männer befreundet waren.«
Kitty und Martha warfen sich einen schnellen Blick zu.
»Freunde?« echoten sie. »Das müssen Sie uns erzählen, Frau Godolew. Aber vorher noch eine Frage, Frau Robeli: Hat eine Frau Sie besucht? So eine im langen Mantel?«
»Nein. Nur ein Mann wollte ’rein. Wir hatten schreckliche Angst. Vielleicht war der Mann ganz harmlos, aber...«
»Zuerst läutete er, dann klopfte er mit den Fäusten an die Tür«, warf Juliette ein, »mir zittern jetzt noch die Knie.«
Kitty überlegte. »Ich rufe Baltram an«, raunte sie Martha zu. »Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
»Aber ja. Warum aber wollen Sie anrufen? Ich kann Ihnen nicht einmal das Gesicht des Mannes schildern.«
»Egal«, sagte Martha Flanders. »Sie brauchen Polizeischutz, Frau Robeli. Wir werden dafür sorgen, daß ein Beamter bei Ihnen Wache hält, bis der Mörder Ihres Mannes
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