0301 - Todestrunk im Whisky-Keller
schüttelte ihren Körper, und der Hörer entglitt ihrer Hand. Wir waren aufgesprungen und führten sie behutsam zu ihrem Sessel zurück. Ich legte den Hörer auf die Gabel zurück.
In diesem Augenblick trat Phil Sterling ein. Er warf einen Blick auf Judith und sah uns ratlos an.
»Das ist ja entsetzlich, was ich da zu hören bekomme, Gentlemen.«
Phil berichtete ihm von unseren Ermittlungen. Kreidebleich warf sich der Industrielle in einen Sessel.
»Dann hat sich Campbell also doch geirrt. Kennen Sie Tim Kelling von der Tribune ?«
Wir nickten, Sterling fuhr fort: »Er war mit Tony eng befreundet. Einen Tag nach dem Unfall sagte er mir schon, dass er ein komisches Gefühl bei der Sache habe. Auch ein anderer Freund Tonys, mein Anwalt Richard Gordon, war Kellings Meinung. Ich selbst neigte eher zu Campbeils Theorie: Materialfehler.«
Phil beugte sich vor. »Was können Sie uns über Nick Moreno sagen, Mr. Sterling?«
»Er war zwei Jahre als Werksfahrer bei mir.«
»Erzählen Sie uns bitte etwas über ihn und sein Verhältnis zu Tony Bell.«
Sterling dachte nach. »Vor etwa fünf Jahren meldete sich ein blasser junger Mann in meinem Büro. Es war Nick. Er wollte Rennfahrer werden. Ich kannte seinen Namen von einigen Motorradrennen her. Er hatte immer gute Plätze belegt. Also beschloss ich, einen Versuch mit ihm zu machen. Er bewies Talent, und ich nahm ihn unter Vertrag. Es war kein schlechter Griff, denn Nick mauserte sich. Er fuhr großartige Zeiten heraus und belegte manchen zweiten Platz hinter Tony. Aber Nick war sehr ehrgeizig. Auf die Dauer genügten ihm die zweiten Plätze nicht mehr. Durch ihn 24 kam es zu einer gefährlichen Rivalität. Innerhalb einer Werkmannschaft ist so etwas auf die Dauer untragbar. Bei den USA-Meisterschaften gibt es auch eine Mannschaftswertung. Diese ging uns einmal durch Nicks Rivalität verloren. Obwohl er zweiter hinter Tony werden konnte, drosselte er absichtlich das Tempo und wurde nur vierter. Dadurch ging der Mannschaftssieg an die Midget-Werke. Als ich ihn zur Rede stellte, wurde er anmaßend. Seit jenem Tag vernachlässigte er das Training. Seine Form verschlechterte sich zusehend.«
Sterling machte eine Pause und zündete sich eine Zigarre an.
»Wir bereiteten uns damals gerade auf das Rennen in Silverstone vor. Tony war in Hochform, brach sich jedoch beim Training die Hand. Nick rechnete wohl damit, dass er nun zum Zuge käme. Das war mir jedoch zu riskant, da er sich so verschlechtert hatte, und ich zog die Nennung zum Rennen zurück. Ein tragischer Irrtum Nicks war die Annahme, Tony hätte ihm das eingebrockt. Er begann, den Jungen in der Öffentlichkeit schlechtzumachen. Es kam zum Knall, und er kündigte. Ein halbes Jahr später startete er bereits für die Curtis-Werke.«
Phil hatte interessiert zugehört. »Von da ab waren sie also Gegner bei allen Rennen?«
»Yes, Agent Decker. Ihre Namen zogen die Massen an. Nick wollte Tony unbedingt schlagen, aber er schaffte es einfach nicht. Bell war eine Ausnahmeerscheinung im Rennsport, ein Magier am Steuer. Erst die unglückseligen Umstände in Indianapolis erfüllten Morenos glühendsten Wunsch. Er wurde Weltmeister.«
Phil sah den Industriellen an. »Trotz seiner laufenden Niederlagen gegen Tony Bell empfahl sich Nick dem Reporter Kelling schon vor dem Rennen als neuer Weltmeister. Worauf, glauben Sie, stützte sich diese Zuversicht?«
Sterling zuckte die Achseln. »Das begreife ich auch nicht, Agent Decker.«
»Glauben Sie, dass er genau wusste, dass Tony Bell das Rennen niemals gewinnen würde? Halten Sie ihn für fähig, Urheber des Mordanschlages zu sein?«
Der Industrielle zögerte mit der Antwort.
»Nick war geradezu besessen von dem Gedanken, Tony zu schlagen. Sein Ehrgeiz war gefährlich. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
»Das genügt mir, Mr. Sterling. Ihre Ausführungen waren sehr aufschlussreich für mich.«
***
Am nächsten Morgen saß ich allein in unserem Office. Phil ging der neuen Spur nach, die seiner Meinung nach zu Nick Moreno führte, er wollte das Leben des jungen Rennfahrers unter die Lupe nehmen.
Ich brütete gerade über den Akten des Lundgren-Falles, als Annette Dernier mein Büro betrat. Ein Duft herben Parfüms umspielte die hübsche Erscheinung.
»Guten Tag, mon Comissar. Womit kann ich Ihnen heute dienen?«
Ich lächelte.
»Nehmen Sie bitte Platz!«
Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. Ich kramte die Fotos von Gonzales und Tanlock aus der
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