0304 - Der Mann, der uns zum Alptraum wurde
Möglichkeit, dass Bernarr den Schatzplan seiner Schwester zur Verwahrung gegeben hat.«
»Das liefe auf das gleiche Motiv hinaus«, knurrte Phil. »Wenn der Täter den Plan bei Josefine Bernarr gefunden hat, dann tötete er sie auch wegen der Gefahr, sie könne ihn verraten.«
»Gegen die Annahme, Phil, der Täter habe bei Josefine den Plan gesucht, spricht die Tatsache, dass in der Wohnung offensichtlich nichts durchwühlt wurde.«
»Das hat vielleicht unser Erscheinen verhindert. Die Fenster liegen zur Straße hinaus. Durch einen zufälligen Blick kann uns der Täter gesehen haben, hat die Wohnung blitzschnell verlassen…«
»Nein«, unterbrach ich ihn. »Wenn der Täter.das Poltern im Parterre verursacht hat, dann muss er sich dort im Flur schon befunden haben, als wir die Haustür betraten. Von dem Augenblick an, da wir aus dem Jaguar stiegen, bis zu unserem Auf tauchen im Parterreflur sind nur Sekunden vergangen. In dieser Zeit kann der Mörder unmöglich von der Wohnung im zweiten Stock hinab in den hintersten Teil des Parterreflurs gelangt sein.«
»Das stimmt. Wir kommen also auf die erste Theorie zurück und sind gezwungen, uns in Josefines Bekanntenkreis umzusehen.«
Das taten wir während der nächsten zwei Tage. Das Ergebnis war mager.
Josefine Berrnars Bekannte waren durchweg ältere Damen, die sich einmal wöchentlich zu einem Kaffeekränzchen trafen. Lauter liebenswürdige, alte Tanten, betulich, mütterlich, hoch in den Sechzigern und so harmlos wie alte Bernhardiner.
Außerdem gab es einige Geschäftsleute, bei denen sich Josefine mit den fürs Leben notwendigsten Dingen versorgte. Wir rechneten alle Posten zusammen, die sie monatlich kaufte, und kamen auf knapp 120 Dollar.
»Fünfzig Bucks fehlen also«, meinte Phil. »Die Miete beträgt nur dreißig. Die übrigen Kosten sind gering. Ein Bankkonto hatte sie nicht, Bargeld war in der Wohnung kaum vorhanden.«
Mein Freund starrte noch einmal die Liste all jener Dinge an, die Josefine zu Lebzeiten allmonatlich gekauft hatte.
Plötzlich stieß er einen Pfiff aus.
»Da fehlt etwas, Jerry.«
»Ja?«
»Spirituosen!«
»Hm. - In den umliegenden Geschäften hat sie nie einen Tropfen Alkohol gekauft. Wir müssen unsere Nachforschungen also etwas weiter ausdehnen.«
Zwei Stunden später hatten wir einen kleinen Spirituosen- und Süßwarenladen in der 30. Straße - aber fast eine halbe Meile von der Pension entfernt - gefunden, dessen Verkäuferin Miss Josefine Bernarr gekannt hatte.
»Sie kaufte jede Woche zwei Flaschen Whisky. Manchmal sogar mehr. Sie sagte, als Geschenke für ihren Bruder, der leidenschaftlich gern trinke.«
Ich sah, wie Phil ein Grinsen unterdrückte. Der Gedanke daran, dass der Gesundheitsfanatiker Whisky vertilgt haben sollte, war auch zu komisch.
»Miss Bernarr kaufte regelmäßig bei Ihnen?«
»Ja, in der letzten Zeit allerdings noch mehr als früher. Bis zu vier Flaschen pro Woche. Sie kam dann jeden zweiten Tag.«
»Seit wann?«
»Ungefähr seit drei Monaten.«
Wir bedankten uns und fuhren zum Districtgebäude zurück.
»Weitergeholfen hat uns das auch nicht«, meinte Phil.
»Doch!«
»Wieso?«
»Der Whiskyverbrauch stieg sprunghaft, nicht - wie bei süchtigen Trinkern - allmählich. Dafür gibt’s zwei Erklärungen: Entweder hat Josefine Bernarr nicht allein getrunken, sondern mit - ihrem Mörder. Oder auf Josefine Bernarr wirkten so starke nervliche Belastungen ein, dass sie diese nur mit doppeltem Alkoholkonsum ertrug.«
»Oder«, sagte Phil, »der Täter hat die Frau mit Alkohol systematisch zermürbt, um von ihr schließlich irgendetwas zu erfahren. Entweder hat sie es nicht gesagt, und sie ist deswegen umgebracht worden, oder sie hat gesprochen - mit den gleichen Folgen für sie.«
***
Wir setzten uns mit dem FBI-Büro in Springfield in Verbindung.
Die Kollegen stellten Nachforschungen an und teilten uns mit, dass Rosi Bernarr bis vor zwei Jahren dort im Haus der Großeltern - die längst nicht mehr lebten - gewohnt habe.
Damit war der Beweis erbracht, dass Floyd Bernarr nicht mit seiner Tochter in Red Bluff gelebt hatte.
Von einer Verbindung zwischen den Bernarrs und Stan Kelly konnten unsere Kollegen nichts erfahren.
Stan Kelly war Taxichauffeur gewesen. Sein Vater hatte eine kleine Autoreparaturwerkstatt gehabt, war aber seit mehr als einem Jahrzehnt tot. Kellys Mutter war bei der Geburt des einzigen Kindes gestorben. Stan Kelly hatte sich recht und schlecht durchgeschlagen, bis er vor
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