0304 - Der Mann, der uns zum Alptraum wurde
etwa vier Monaten in New York den Doppelmord begangen hatte.
Am nächsten Tag ermittelten unsere Kollegen etwas, das uns aufhorchen ließ.
Rosi hatte Springfield vor zwei Jahren verlassen, um nach New York zu ihrem Vater zu ziehen. Und auch Stan Kelly hatte um die gleiche Zeit die Werkstatt verkauft und sich mit dem wenigen Geld, dass er dabei erzielt hatte, nach New York begeben. Hier hatte man ihn schließlich als Fahrer eines Direktors der Chase Manhattan Bank engagiert. Jene Bank, die er dann überfiel, nachdem er sich als Chauffeur mehr als anderthalb Jahre gut geführt hatte.
Seinen Überfall hatte er maskiert ausgeführt. Aber einer der beiden ermordeten Angestellten hatte Kelly blitzschnell die Tuchmaske vom Gesicht gerissen. Daraufhin hatte der Bankräuber zweimal den Finger gekrümmt und den Angestellten sowie dessen Kollegen am gleichen Schalter tödlich getroffen. Dann war er geflohen. Aber die übrigen wie erstarrt hinter ihren Schaltern hockenden Angestellten hatten ihn erkannt.
»Immerhin besteht die Möglichkeit, dass Kelly das Mädchen Rosi oder den Alten erst hier in New York kennengelernt hat. Vielleicht war das sogar sein Plan.« Phil überlegte einen Augenblick und fuhr dann fort: »Wenn er es auf die Tour: Hallo, Landmann, auch aus Springfield?, versuchte, dürfte ihm ein Bekanntwerden mit den Bernarrs nicht schwergefallen sein.«
»Vielleicht hat er sogar Josefine kennengelernt.«
»Das müsste ein Zufall sein. Denn Kelly ist ein gut aussehender junger Mann, der sich bestimmt nicht nach einer Frau wie Josefine Bernarr umdrehte.«
»Und wenn er die Bekanntschaft suchte?«
»Dann müsste er schon von dem Vermögen gewusst haben, Jerry. Das aber ist kaum anzunehmen, da sich auch in Springfield offenbar niemand eine Vorstellung davon machte, wie viel der Alte verdiente.«
»Vor allen Dingen wird’s jetzt Zeit, dass wir das Mädchen finden«, sagte ich. »Wenn sie mit der ganzen Sache nichts zu tun hat, dann weiß sie bis heute noch nicht, dass ihr Vater und ihre Tante tot sind.«
»Sie könnte es durch Zeitungen erfahren?«
»Aber nur, wenn sie hier in New York ist. Denn andere Zeitungen haben von den beiden Verbrechen sicherlich nicht berichtet.«
Phil stand auf und lief im Office auf und ab.
»Hast du schon mal daran gedacht, Jerry, dass der Mörder vielleicht auch das Mädchen umgebracht hat?«
»Natürlich«, antwortete ich, obwohl das gelogen war. »Aber ich sehe nicht…«
Plötzlich hielt ich inne und schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Manchmal fällt der Groschen langsam, Phil«, stöhnte ich. »Aber mich tröstet, dass du auch nicht darauf gekommen bist.«
»Ich verstehe nicht…«
»Wie alt war Rosi Bernarr?«
»Ich glaube 24 Jahre.«
»Richtig. Und seit wann ist sie aus New York verschwunden?«
»Seit einem Jahr.«
»Richtig. Und? Dämmert’s?«
Phil schüttelte den Kopf.
»Wir hörten von einem Mädchen«, sagte ich, »das Mitte zwanzig war, seit einem Jahr in Red Bluff lebte, ermordet wurde und von deren Vergangenheit niemand etwas wusste.«
Phil stieß langsam die Luft aus.
»Du hast recht, Jerry. Wenn nicht alles täuscht, dann waren Violett Holms und Rosi Bernarr ein und dieselbe Person.«
Violett Holms Leiche wurde exhumiert.
Das war notwendig, um jeden Irrtum bei einer Identifizierung auszuschließen. Die Fotos der Leiche reichten dazu nicht aus.
Ein Kollege trieb in Springfield zwei Personen auf, die Rosi Bernarr gut gekannt hatten. Auf Staatskosten flogen sie nach Red Bluff und bestätigten dort unseren Verdacht. Violett Holms war niemand anders als Rosi Bernarr.
Warum sie in der kleinen Stadt unter falschem Namen gelebt hatte, konnten wir uns nicht erklären. Aber dieser Umstand war auch nicht sonderlich wichtig. Es gab einige Gründe dafür, die alle zutreffen konnten.
Entweder wollte Rosi von ihrem Vater nicht gefunden werden, oder sie wollte vermeiden, dass man sie in Red Bluff als Tochter des alten Sonderlings erkannte, oder sie wollte ein völlig neues Leben beginnen, ihre Vergangenheit abschütteln und damit auch den Familiennamen, oder - sie hatte Grund, sich vor der Polizei zu verbergen.
Phil sprach diesen Gedanken aus.
»Das hieße«, sagte er, »dass Rosi Bernarr etwas zu verheimlichen gehabt hätte.«
»Du meinst, sie hätte sich gegen ihren Vater gewandt, ihm den Plan gestohlen…«
»Vielleicht?«
»Dass sie ihren Vater umgebracht hatte, ist schwerlich möglich, denn die Ermordung beider fallen zeitlich in etwa
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