0304 - Der Mann, der uns zum Alptraum wurde
Ladung Eier zu dir fuhr und dir alles erzählt habe.«
»Na ja, möglich ist’s«, wehrte der Motelbesitzer ab. »Ich war an dem Morgen sehr beschäftigt. Wahrscheinlich habe ich dir gar nicht richtig zugehört. Also, wie war das?«
Miller erzähle alles noch einmal. Ich bekam die Unterhaltung der beiden nur mit halbem Ohr mit, da ich meine Aufmerksamkeit Mabel Parker widmete.
Kurz nach Mitternacht brachen wir auf. Ich half Mabel Parker in den Mantel. Als wir die Bar verließen, hakte sie sich bei mir unter.
»Einen bildschönen Mantel tragen Sie«, sagte ich lächelnd. »Sicherlich eine Sonderanfertigung.«
Sie lachte. »Man merkt, Agent Cotton, dass Sie Junggeselle sind. Von Damenkleidung verstehen Sie nichts. Der Mantel ist ein sehr preiswertes Stück aus einem New Yorker Kaufhaus. Tausende dieser Mäntel können sie in New York sehen.«
***
Einer plötzlichen Eingebung folgend suchte ich am nächsten Tage den Schönheitssalon auf, in dem Rosi Bernarr alias Violet Holms bis zu ihrem Tode gearbeitet hatte.
Der Salon lag in der Hauptstraße. Seine Vorderfront bestand ganz aus Glas. Dahinter waren wenige kostbare kosmetische Mittel ausgestellt. Ich trat durch die Eingangstür und wurde von einem Girl mit einem einstudierten Lächeln begrüßt.
»Sie möchten Ihre Gattin anmelden, Sir?«
Der Raum nahm die volle Breite des Hauses ein, war mit einem schweren orangefarbenen Teppich ausgelegt und hatte eine silbergraue Tapete. Teakholzmöbel waren sparsam rechts und links an den Wänden verteilt. Den Hintergrund bildete ein flaschengrüner Vorhang, der sich in der Mitte etwas teilte und einen Blick auf einen langen Gang freigab, von dem Kabinen abzweigten. Wahrscheinlich fanden dort die Schönheitsbehandlungen statt. Soeben trat eine Endfünfzigerin aus einer Kabine, in ihrem Kielwasser folgte ein Mädchen in weißem Kittel.
Das alles hatte ich mit einem Blick erfasst, ehe ich der mit allen kosmetischen Mitteln vorteilhaft hergerichteten Empfangsdame mein charmantestes Lächeln schenkte und antwortete: »Ich hatte nicht die Absicht, meine Gattin anzumelden. Ich bin nämlich Junggeselle.« Dabei zuckte ich bedauernd mit den Schultern. »Mir geht es um eine Unterredung mit der Chefin dieser Firma.«
»Miss Colourdress?«
»Ja, die möchte ich gern sprechen.«
»Ich werde sehen, ob sie da ist…«
Sie fächelte sich dreimal mit den vier Zentimeter langen Wimpern Kühlung auf die Wangen und verschwand dann hinter dem Vorhang.
Eine Minute später erschien sie mit Miss Colourdress.
Beim Anblick der Schönheitssalon-Chefin hatte ich Mühe, ernst zu bleiben.
Man muss sich einen Pfannkuchen auf leicht geschweiften, barocken Beinen vorstellen. Bis zu dem Hals mit starkem Kropfansatz war die Frau in ein violettes Seidenkleid gepresst, mit dem sich eine Schneiderin vergeblich Mühe gegeben hatte.
Miss Colourdress war trotz der Korpulenz ein wahrer Riese, für eine Frau ungewöhnlich groß. Obwohl sie flache Absätze trug, reichte sie mir bis zu den Augen.
Ihre fleischigen Arme waren bis zu den Ellbogen nackt. An den Handgelenken klimperte es von Armbändern, Kettchen und Reifen.
Erstaunlich war das Gesicht der Frau.
Es wurde beherrscht von den mopsigen Wangen, die sich nach allen Richtungen auszüdehnen schienen und die Haut so prall gespannt hatten, dass trotz der sechzig Jahre, die die Frau sicherlich zählte, nicht ein einziges Fältchen zu sehen war.
Für die kleinen, braunen Knopf äugen war nur wenig Platz. Sie verschwanden fast ganz in den Fettmassen. Auch das Näschen war so winzig geraten, dass es nicht mehr über die Wangen hinausragte - was Miss Colourdress von der Seite ein mopsähnliches Aussehen gab.
Auf dem Kopf befand sich eine himmelblau gefärbte Lockenpracht. - Die Schönheitssalon-Chefin hätte sogar in New York Aufsehen erregt, obwohl dort wirklich genug komische Typen herumlaufen. Hier in Red Bluff musste sie eine Attraktion sein. Vermutlich rannten ihr auf der Straße die Kinder nach.
Ich verbeugte mich artig, nannte meinen Namen und zückte dann meinen FBI-Ausweis.
Sie nahm ihn, trat etwas zur Seite, um besser Licht zu haben, und hielt ihn dann in einem Abstand von etwa sechs Zentimeter vor die Augen.
Nachdem sie gelesen hatte, bewegte sich ihre Stirn. Ich nahm an, dass das als Stirnrunzeln zu werten war.
»Bitte folgen Sie mir«, befahl sie dann mit fistelnder Stimme und machte kehrt.
Ich schritt hinter ihr durch den Gang hinter dem Vorhang, wagte weder rechts noch links zu
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