0304 - Der Mann, der uns zum Alptraum wurde
Als ich ihn in der Nebenstraße sah, habe ich nicht darauf geachtet. Hier im Salon trug er einen grauen oder braunen Sportanzug.«
»Sein Gesicht?«
»Dicklich. Er hat einen feisten Hals, der ihm wie ein Vorhang über den Kragen fällt. Auffallend waren seine blauen Fischaugen. Er…«
»Nun, warum sprechen Sie nicht weiter?«
»Er roch eigenartig. Ich weiß nicht, ob ich mich irre, aber ihn umschwebte ein irgendwie penetranter Geruch.«
»Ein Parfüm war es nicht?«
»Nein.« - Sie blickte mich beleidigt an. - »Ich kann nahezu alle handelsüblichen Parfüms am Geruch unterscheiden. Das gehört zu meinem Job.«
»Gut. Was war es also?«
»Ich glaube, er roch nach Kuhstall.«
Ich nickte. »Vermutlich haben Sie recht.«
Dann wandte ich mich an die Chefin des Schönheitssalons. »Können Sie Miss Grace für ein oder zwei Stunden entbehren. Ich benötige sie zu einer Gegenüberstellung.«
***
Eine halbe Stunde später waren Phil, Miss Grace und ich in Proberta angelangt. Wir erkundigten uns nach der Hühnerfarm von Alfred Miller. Ein Dreikäsehoch mit Sommersprossen wies uns den Weg, wobei er den Jeep fachkundig betrachtete und dann meinte: »Der Weg ist nicht sehr gut dorthin, Mister. Aber mit der Kutsche werden Sie’s schaffen.«
Ich schenkte ihm ein 50-Cent-Stück.
Millers Hühnerfarm lag etwa eine Meile hinter dem Ort. Der Weg schlängelte sich durch ein Kiefernwäldchen, machte eine Biegung, und schon standen wir vor einem Gatter, neben dem ein Schild hing, das Alfred Millers Geflügelfarm ankündete.
Phil öffnete das Tor. Ungefähr fünfzig Yards weiter vorn lag ein ländliches Wohnhaus. Im Hintergrund standen große Hühnerställe, daneben lag eine weite Rasenfläche, die ganz mit engmaschigem Drahtzaun umgeben war.
Das Innere war mehrmals unterteilt, und darin tummelten sich muntere Hühnerscharen. Mindestens fünfhundert Stück.
Vor dem Wohnhaus trat ich auf die Bremse. Als ich mich vom Sitz schwang, ging die Haustür auf, und Alfred Miller trat heraus. Er lächelte und öffnete eben zu Begrüßungsworten den Mund, als sein Blick auf Grace fiel.
Er schien zu erstarren. Seine abgespreizten, zu einer theatralischen Geste erhobenen Hände blieben in der Luft hängen. Dann wanderte sein Blick vom Gesicht der Rothaarigen zu mir herüber.
Millers Gesicht nahm die Farbe abgestandenen Grießpuddings an. Er schloss den Mund, öffnete ihn wieder, schloss ihn. Es sah aus, als schnappe ein Karpfen nach Luft.
Schließlich brachte er ein »Wollen Sie nicht hereinkommen, meine Herr-48 schäften« heraus und machte einen Schritt nach vorn.
Phil half dem Girl aus dem Wagen. Zu dritt gingen wir zu Miller hinüber, der jetzt bleich am Türrahmen lehnte und Grace einen flehenden Blick zuwarf.
Es war wirklich nicht mehr nötig, dass ich das Girl fragte, ob dies der Gesuchte sei. Trotzdem tat ich es.
»Ja, das ist der Mann, der Violett belästigte«, stieß sie fest hervor, ohne den Dicken anzuschauen.
»Phil, sei so freundlich und kutschiere die Dame zum Schönheitssalon zurück«, sagte ich. »Kommst dann wieder her und holst mich ab.«
Mein Freund nickte, grinste Miller an und zog sich mit Grace in den Wagen zurück.
»Sie sehen, ich folge Ihrer gestrigen Aufforderung«, sagte ich zu dem Dicken.
Er nickte schmerzlich. »Wie haben Sie das nur herausbekommen?«
»Es war einfach.«
Ich trat vor ihm in das Haus. Durch einen dunklen Flur gelangte man in einen großen, bäuerlich eingerichteten Wohnraum mit riesigem, gekacheltem Ofen in der Ecke. Es gab schwere, dunkle Eichenmöbel, eine verräucherte Holzdecke und nicht sehr gepflegte Felle auf dem Boden.
Ich ließ mich auf einem Stuhl in der Nähe des Fensters nieder und blickte den Dicken durchdringend an. Wie ein bei Dummheiten ertappter Schuljunge stand er vor mir.
»Sie glauben doch nicht etwa, Agent Cotton, ich hätte Violett Holms umgebracht?«
»Unsinn«, knurrte ich. »Das war ein Mischling namens Spencer Denston. Allerdings wissen wir nicht, ob der das Girl aus eigener Initiative oder im Auftrag eines anderen umbrachte.«
»Agent Cotton«, er rang die Hände, und es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre auf die Knie gesunken, »ich habe mit dem scheußlichen Verbrechen nichts zu tun. Glauben Sie mir. Ich habe ihr nachgestellt, sie sogar belästigt. Gewiss. Ich habe versucht, aus der Sache draußen zu bleiben,-ich habe der Rothaarigen Schweigegeld gegeben. Gewiss. Aber ich bin an Violetts Tod so unschuldig wie ein neugeborenes
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