0304 - Maskenball der Monster
konnte den Schauer sehen, der sich auf ihre Haut gelegt hatte, und im nächsten Augenblick griff von Tirano zu.
Er zelebrierte den unheimlichen Vorgang. Die kalten Finger lagen auf der nackten Schulterhaut, blieben für einen Moment in dieser Stellung und glitten dann höher.
Alle schauten zu.
Niemand griff ein. Ein jeder war fasziniert, und ein jeder wußte, daß er hier etwas erlebte, daß er bisher nur in einschlägigen Filmen gesehen oder in Gruselromanen gelesen hatte.
Die Schöne und die Bestie!
Wo konnte es besser zum Ausdruck kommen!
Die langen, schlanken Finger des Blutsaugers wanderten höher.
Dabei übten sie einen leichten Druck aus, so daß der Kopf der Frau auf die rechte Seite gelegt wurde.
Dadurch spannte sich die Haut an ihrer linken Halsseite.
Genau das hatte der Vampir erreichen wollen. Er brauchte die harte, die feste Haut, um seinen Biß haargenau ansetzen zu können.
Gerda wehrte sich nicht. Im Gegenteil, sie freute sich auf die Behandlung, denn der Vampir hatte ihr alles versprochen. Jetzt mußte er sein Versprechen einlösen.
Und dies geschah auf uralte Art und Weise.
Von Tirano neigte seinen Kopf. Weit hatte er den Mund geöffnet, so daß die beiden spitzen Vampirhauer freilagen. Kaum sichtbar zuckte die Frau zusammen, als die Enden der Zähne die straffe Haut an ihrer linken Halsseite berührten.
Das zweite Zucken war stärker. Man konnte es als eine Folge des süßen Schmerzes bezeichnen, der sie plötzlich überfallen hatte. Tief drangen die beiden Zähne in den Hals der Frau.
Die Zuschauer hielten den Atem an. Jedes Geräusch würde stören, sie waren gebannt und sahen einem einmaligen Schauspiel zu.
Ein Vampir biß einen Menschen. Er wollte dessen Blut, um überleben zu können.
Mit Zähnen und Lippen hing der Vampir am Hals der Frau. Zunächst war sie noch steif gewesen, nun aber verflachte ihr Widerstand. Sie drückte ihren Rücken durch, und der Baron mußte sie unterfangen und sie gleichzeitig abstützen, damit sie nicht aus seinem Griff und damit zu Boden rutschte.
Der Vampir saugte sich fest. Erst in diesen Augenblicken wurde die Stille von den saugenden schlürfenden und schmatzenden Geräuschen unterbrochen, die der Vampir verursachte.
Er war ein Könner.
Nicht ein Tropfen Blut quoll zwischen seinen Lippen hervor. Er saugte, zuckte und saugte wieder, und den Zuschauern kam es vor, als würde er eine Puppe im Arm halten.
Minuten vergingen.
Selbst die kleinen Ratten waren erstarrt und schauten ihrem Freund bei seiner makabren Arbeit zu.
Der Vampir saugte so lange, bis er gesättigt war. Auch durch seine Gestalt lief ein Rucken, er schüttelte den Kopf, ließ sein Opfer los, und Gerda Mahnstein schlug schwer zu Boden.
Halb über sie gebeugt blieb der Baron noch stehen. Er schaute auf sie nieder, den Mund verzogen und verschmiertes Blut an den Lippen. So wirkte er echt.
Sehr langsam drehte er sich um.
In seinen Augen lag ein zufriedener Ausdruck, die Lippen zuckten noch nach, und seine Hände bewegten sich hektisch. »Ihr habt es gesehen«, sagte er. »Ihr habt gesehen und mit anschauen können, wie sich Vampire ernähren. So ist es schon immer gewesen, und so wird es auch weiterhin bleiben.«
»Was empfindet das Opfer dabei?« fragte die als Hexe verkleidete Frau und kam hüftschwingend näher.
»Wonnen«, flüsterte der Blutsauger. »Das Opfer empfindet regelrechte Wonnen, wenn der erste süße Schmerz nachgelassen hat. Es gleitet hinein in ein anderes Leben, denn es weiß, daß es nun ein Geschöpf der Nacht ist und den Tag hassen lernt.«
»Ich möchte es auch spüren«, flüsterte die Hexe. Sie breitete ihre Arme aus, doch der Vampir schüttelte den Kopf.
»Nicht doch. Zunächst hole ich mir eine andere. Unseren Ehrengast.«
Mit diesen Worten fuhr er herum, schaute die starr auf dem Fleck stehende Erna Lengerich an und erkundigte sich mit lauernder Stimme:
»Hast du alles mitbekommen?«
Sie nickte.
»Dann weißt du auch, was dir bevorsteht, nicht wahr?«
»Ich will es aber nicht wissen.«
Der Baron lachte laut. »Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ob du willst oder nicht, du mußt es tun, es geht kein Weg daran vorbei. Hast du gehört?«
»Nein, nein…« Der Körper nahm eine steife Abwehrhaltung ein, davon ließ sich der Baron nicht einschüchtern. Allerdings machte er der Frau einen Vorschlag.
»Du kannst so weiterleben wie jetzt«, sagte er. »Allerdings unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?« fragte Erna mit zitternder
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