0305 - Im Rattentempel
aber würde die Sonne sinken. Wenn wir uns dann noch im Busch befanden, konnten wir so gut wie überhaupt nichts mehr erkennen.
Ich spornte Mandra durch mein Rufen an. Der Inder vor mir war nur schattenhaft zu erkennen. Hinter mir hielt Suko die Stellung.
Laut hatte ich rufen müssen, um das Klatschen der Haumesser gegen die grüne Wand zu übertönen, Mandra drehte sich um. Für einen Moment hielt er inne und wischte den Schweiß aus dem Gesicht. Sein Mund war verzerrt. »Verdammt, John, ich weiß auch nicht, wann wir unser Ziel erreichen.«
In meine Antwort klang das Klatschen meiner Hand, als ich gegen die Wangen schlug, um die Insekten zu töten. »Bewegen wir uns überhaupt in die richtige Richtung?«
Mandra schaute auf den Kompaß und nickte. »Das schon.«
Suko hatte neben mir haltgemacht. Sein Gesicht sah verquollen aus.
Die kleinen Quälgeister hatten deutlich ihre Spuren hinterlassen.
Bei mir würde es ebenso sein.
»Dann weiter!«
Wieder übernahm Mandra die Führung. Ich warf hin und wieder einen Blick hoch zum grünen Dach.
An einigen Stellen schimmerte der Himmel durch, aber er war sehr blaß geworden, denn bald war Sonnenuntergang.
Und wir kämpften uns weiter durch die grüne Hölle.
Es war ein verdammt hartes Ringen. Mein rechter Arm glich einem Dreschflegel. Ich hatte Blasen an der Hand bekommen. Zwei davon waren aufgeplatzt. Jetzt scheuerten Haut und Griff aneinander, es schmerzte fürchterlich. Dennoch machte ich weiter und durfte mir keine Pause gönnen.
Als Mandra Korab plötzlich stehen blieb, verhielten auch Suko und ich unsere Schritte.
»Fällt euch nichts auf?« fragte der Inder.
»Wieso?«
Er deutete nach unten. »Untersucht mal den Boden, dann werdet ihr etwas erkennen.«
Suko bückte sich, ich trat ein paarmal mit den Füßen auf. Beide kamen wir zu demselben Ergebnis. Suko fasste es zusammen. »Der Untergrund hat sich geändert. Er ist härter geworden.«
»Richtig. Es deutet darauf hin, daß wir es bald geschafft haben, denn auf Sumpfboden wird man auch in der Vergangenheit keinen Tempel gebaut haben.«
»Das ist wie bei den Möwen«, sagte ich.
Suko schaute mich scharf an. »Hast du schon den Dschungelkoller bekommen, John?«
»Nein, aber es wäre möglich. Wenn der Seefahrer Möwen sieht, weiß er genau, daß er es bis zum Land nicht mehr weit hat. Kapiert?«
»Haarscharf.«
In den nächsten Minuten schwiegen wir, denn die Plackerei ging weiter. Mandra kannte den Dschungel. Er hatte scharfe Augen und achtete trotz des düsteren Zwielichts auch auf Spuren.
Über die Schulter rief er zurück: »Hier war jemand!«
»Wann?«
»Noch vor kurzem.«
»Und woran erkennst du das?« fragte ich.
»An den Spuren. Da hat jemand sich nicht mit einer Machete den Weg bahnen können, sondern mit den bloßen Händen versucht, das Zeug abzureißen. So etwas kann man sehen.«
Mandra zeigte uns die Stellen. Wir waren beeindruckt. Leider konnten wir nicht feststellen, wie viele Personen diesen Weg vor uns genommen hatten. So mußten wir uns mit der Gewißheit zufrieden geben, daß es auch andere Leute gab, die dasselbe Ziel wie wir hatten.
Natürlich dachte ich sofort an den Baron von Tirano, wobei ich mir kaum vorstellen konnte, daß sich der Vampir allein durch den Dschungel schlug. Von Blattgrün konnte er sich schließlich nicht ernähren. Wir waren aber erst einmal gewarnt, und das empfand jeder von uns als gut.
Unsere Pechsträhne war zu Ende. Wieder war es Mandra Korab, der eine Entdeckung machte: Ein hoher Stein oder eine Säule war von zahlreichen Pflanzen überwuchert.
Mandra war darauf aufmerksam geworden, als die Klinge seines Haumessers durch das Grün hieb und mit einem seltsam singenden Laut gegen irgend etwas Festes prallte.
Sofort blieb Mandra stehen. Die Machete hatte kaum gelitten. Mit der scharfen Seite kratzte er Schlingpflanzen und anderes Zeug vom Gestein ab.
»Jawohl«, sagte er, »das ist der Tempel.«
»Wenigstens ein Teil«, schränkte ich ein.
»Du hast auch immer was zu nörgeln.«
»Dann ist der Rest ja eine Kleinigkeit«, machte Suko uns beiden Mut und setzte sich in Bewegung.
Er verschwand in der grünen Wand, schlug jetzt vorsichtiger, und wir entdeckten abermals Spuren derjenigen, die vor uns den Tempel erreicht hatten.
Sie hatten sich nicht einmal Mühe gegeben, diese zu verdecken.
Anscheinend fühlten sie sich sehr sicher.
Es war wie ein Wunder. Urplötzlich standen wir vor dem Tempel und sahen auch die Öffnung im Mauerwerk.
Wie
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