0305 - Im Rattentempel
nicht, konnte Hakim noch immer nicht erkennen, bis der Blutsauger einen Schritt nach rechts trat.
Jetzt bekam Hakim freie Sicht!
Seine Augen wurden groß. Er hatte es geahnt, doch nun, als er den Tatsachen ins Gesicht sah, war es doch unglaublich.
In dieser jetzt offenen Grabkammer hockte tatsächlich ein Wesen, das ebenso aussah, wie es die alten Bilder in den Büchern der Geschichten und Legenden beschrieben.
Karni-Mata, die Rattenkönigin!
Eine Mischung zwischen Ratte und Menschen. Eine schaurige Mutation.
Der Kopf war gewaltig, ein übergroßer Rattenschädel mit spitzer Schnauze, hochstehenden Ohren und waagerecht verlaufenden Barthaaren. Das Maul war noch geschlossen, die Augen standen schräg innerhalb des häßlichen Gesichts, und sie besaßen den Glanz matter Perlen.
Unter dem häßlichen Schädel begann ein normaler und auch wohlproportionierter Frauenkörper, der in einem goldenen, kleidähnlichen Gewand steckte. Auch die Arme und Hände waren menschlich. Hakim konnte sogar die langen Finger erkennen.
Dieses Wesen zeigte keine Anzeichen von Verwesung, die langen Jahre des Todesschlafs schienen der Rattenkönigin nichts ausgemacht zu haben.
Erst jetzt reagierten die Nager. Sie hatten ihre Königin gesehen, waren wie ausgewechselt. Hatten sie vorhin noch ruhig und gespannt auf dem Boden gelegen, so geriet plötzlich Bewegung in sie.
Sie blieben nicht mehr zurück. Jedes Tier wollte an die Königin heran, und sie wuchteten sich in die Höhe.
Zahlreiche Tiere sprangen und umkreisten ihre Königin, die von dem Baron aus dem Sarglager gezogen und zur Seite geführt wurde, als wäre sie eine Tänzerin und er der elegante Kavalier.
Nebeneinander schritten sie auf den Thron zu, begleitet von zahlreichen Ratten, die Karni-Mata huldigten.
Hakim wollte es wissen. Er sah seine große Chance allmählich kommen. Die meisten Ratten waren beschäftigt. Leider hielten sich in seiner Nähe noch zu viele auf, so daß er schlecht wegkonnte.
Aber er konnte etwas versuchen und dieser Rattenkönigin eine Kugel in den Rücken schießen. Er wollte sie durchlöchern, den Vampir gleich mit, dann waren die Biester bestimmt so abgelenkt, daß sie auf ihn nicht sehr achteten.
Ja, der Plan war gut, und ein Lächeln zuckte über die Lippen des Mannes, als er sich vorsichtig bewegte und das Gewehr von der Schulter rutschen ließ.
Er fing es behutsam auf, drehte es und mußte sich beeilen, denn fast hatten die beiden schon das Ziel erreicht.
Keine Ratte griff ein. Sie waren wohl nur darauf gedrillt worden, ihn anzugreifen, wenn er einen Fluchtversuch wagte.
Hakim zielte genau.
Er visierte den Rücken der Mutation zwischen Frau und Ratte an.
Sein Finger lag bereits am Abzug.
Ein kurzer Druck nur, dann…
Da krachte der Schuß!
***
Wir hatten es verdammt nicht einfach gehabt, trotz der Warnung unseres Freundes Mandra.
»Wir müssen in den Dschungel!« hatte er gesagt. »Und das kann böse werden.«
An diese Worte mußte ich denken, als wir uns durch den Busch schlugen. Durch eine feuchte Hitze, gepeinigt von Insektenschwärmen, von Gefahren umlauert und jeden Augenblick darauf gefaßt, hinterrücks angegriffen zu werden.
Es war leider nicht die Zeit geblieben, uns so auszurüsten, wie wir eigentlich hätten in den Dschungel gehen müssen. Mandra hatte Stiefel besorgt, auch schwere Haumesser und den Geländewagen geliehen.
Der Inder ging voran.
Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das fast zugewachsene Dach dieser grünen Hölle. Ich wunderte mich, daß ich überhaupt noch Luft bekam, denn was da in meine Lungen drang, war kaum zu atmen.
Der Schweiß lief mir in wahren Sturzbächen über den Körper.
Suko erging es nicht anders, auch Mandra Korab litt darunter.
Mit unseren Haumessern schlugen wir uns den Weg frei. Wir räumten zur Seite, was zur Seite zu räumen war. Lianen, Buschwerk, Zweige. Ich teilte einmal eine Baumschlange und vergaß auch nicht, in den Boden zu schlagen, wo sich ebenfalls gefährliche Fußangeln gebildet hatten.
Oftmals spritzte es hoch unter unseren Stiefelsohlen auf, wenn wir einen der flachen Tümpel durchquerten.
Mandra hatte die Führung übernommen. Er hielt auch den Kompaß in der freien Hand. Den genauen Weg kannten wir nicht. Wir mußten uns schon auf den Kompaß und unser Glück verlassen.
Mandra hatte zwar noch rasch in alten Beschreibungen nachgelesen, doch einen genauen Standort des Tempels hatte er nicht gefunden.
Es lag einfach zu lange zurück.
Noch hatten wir Tag. Bald
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