0309 - Die Eismeer-Hexe
gefräßiges Raubtier.
Die Welt ging unter.
Schattenhaft sah ich eine Gestalt in meiner Nähe. Es war Suko, der den Kräften ebenfalls nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Er wurde weggefegt wie eine Schneeflocke.
Die Rache der Eismeer-Hexe war fürchterlich. Zu Spielbällen hatte man uns degradiert. Ich glaubte, durch die orkanartigen, orgelnden und jaulenden Geräusche das gewitterhafte Lachen der Dämonin zu hören.
Sie zeigte uns, wer in diesem Land das große Sagen hatte. Morg Behan konnten wir nicht mehr retten. Er würde zu einem Opfer der gnadenlosen Rakis werden.
Wie lange ich durch die Luft geschleudert wurde, konnte ich nicht sagen.
Das Zeitgefühl war einfach nicht mehr vorhanden. Das Ende geschah dabei so abrupt, wie alles seinen Anfang genommen hatte.
Ich raste zu Boden, erwartete den harten Aufprall und dachte nicht mehr an den Schnee, in den ich hineingestoßen wurde. Tief grub mich die Kraft ein.
Schlagartig wurde mir die Luft abgeschnürt.
Wie ein Schwimmer bewegte ich Arme und Beine. Ich kämpfte mich wieder an die Oberfläche, reinigte mein Gesicht vom Schnee, holte Luft wie jemand, der soeben aus den Fluten gerettet worden war und schaute mich um.
»Hallo, Eisbär!«
Das war Sukos Stimme. Mein Partner befand sich nicht weit von mir entfernt und »paddelte« ebenfalls im Schnee. Sein Gesicht glänzte feucht. Ein paarmal schüttelte er den Kopf und wühlte sich zu mir hin.
Es war wirklich ein Wühlen, von Gehen konnte keine Rede sein, denn der Sturm hatte wahre Massen von Schnee bewegt und sie verlagert.
Wir kämpften uns durch ein weißes, völlig neues Feld. So ähnlich mußte es auch in der Wüste nach einem Sandsturm aussehen.
Ohne darüber gesprochen zu haben, suchten Suko und ich beide das gleiche.
Es ging um Morg Behan!
Wo steckte er?
Die Schneeverwehungen waren so stark, daß wir keine Spur von ihm sahen, auch nicht von Rakina, der Eismeer-Hexe. Sie hatte sich zurückgezogen.
War alles nur ein Traum gewesen?
Unsere Blicke sprachen Bände. Wir wollten beide nicht daran glauben.
Nein, die Landschaft hatte sich tatsächlich so stark verändert, wir waren in einen Orkan geraten, der mit normalen Maßstäben überhaupt nicht zu messen war.
»Was ist das für ein Dämon!« sagte Suko und schüttelte den Kopf.
»Hast du das Gesicht gesehen, John?«
»Und wie.«
»Grauenhaft!« flüsterte der Chinese. »Und dann diese verfluchten Rakis. Ob Morg noch lebt?«
»Ich hoffe es.«
Wir schlugen den Weg zum Wald ein. Der Sturm hatte Tonnen von Schnee zwischen die Bäume geschleudert.
Irgendwo am Waldrand mußten wir Morg Behan finden, falls er überhaupt noch zu finden war.
Wir gaben nicht auf und kämpften uns voran. Mir fiel eines der Skibretter in die Hände, das ich bei dem ersten Sturz verloren hatte.
Ich nahm es an mich und dachte dabei an die Männer der Bergwacht, die mit langen Stöcken nach den Lawinenopfern suchten.
Es vergingen Minuten, bis wir den Waldrand erreicht hatten.
Hier war der Schnee nicht mehr so tief, und beide blieben wir stehen. Suko deutete in die Runde.
»Hier irgendwo muß er doch verschwunden sein.«
Der Ansicht war ich auch und begann mit dem Brett zu stochern, um vielleicht auf Widerstand zu stoßen. Möglicherweise lebte Morg Behan noch, dann kam es auf jede Sekunde an.
Suko wühlte mit bloßen Händen, aber ich hatte das Glück, auf einen Widerstand unter der Schneefläche zu stoßen.
»Ich hab ihn!«
Suko stampfte zu mir. Sein Gesicht war naß, verzerrt. Der Schnee klebte in seinen Haaren. Wir trugen noch unsere dicken Handschuhe, als wir uns daranmachten, mit den Händen die Schneemassen aufzuwühlen.
»Was ist eigentlich mit deiner Peitsche?« fragte ich keuchend.
»Die habe ich festgehalten und jetzt wieder weggesteckt.«
Wenigstens ein kleiner Erfolg.
Auch meine Beretta war nicht unter den weißen Massen begraben worden. Ich hatte sie wie einen letzten Rettungsanker festgehalten.
Wir schaufelten gemeinsam den Schnee zur Seite. Vier Hände wühlten sich durch das weiße Zeug, und auch wir sackten des Öfteren tiefer in die weiße Masse.
Es war eine schweißtreibende Arbeit. Doch ich hatte einen Menschen ertastet, und den durften wir keinesfalls unter den Massen liegen lassen.
Suko verzeichnete einen ersten Erfolg.
»Okay, John!« rief er, »ich habe ihn.« Er räumte Schnee zur Seite und legte das Gesicht des Mannes frei.
Wir schauten hin.
Es kam uns vor wie eine gläserne Maske. So starr, unbeweglich und mit Zügen, die
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