0309 - Die Eismeer-Hexe
noch nach dem Tode die Angst zeigten, die der Mann an seinem Lebensende empfunden hatte.
Das Blut hatte sich verteilt. Wir sahen es nicht nur auf dem Gesicht, auch in den Haaren, und überall auch die Wunden. Von den Rakis gerissen. Sie hatten eine schlimme Rache genommen.
»Da ist nichts mehr zu machen!« flüsterte Suko. »Unsere Bemühungen waren umsonst.«
Ich nickte. »Trotzdem werden wir ihn wegschaffen. Wir können ihn ja nicht liegenlassen.«
»Sicher.«
Wieder machten wir uns an die Arbeit. Es war schwierig, die Leiche ohne Hilfsmittel aus dem Schnee zu holen. Schließlich hatten wir es doch geschafft.
Wir überlegten, ob wir den Körper gemeinsam oder abwechselnd tragen sollten.
»Abwechselnd wäre wohl besser«, schlug Suko vor.
Ich zeigte mich einverstanden.
Mein Partner übernahm die Last auf der ersten Strecke. Ich half ihm dabei, die Leiche auf die Schulter zu wuchten.
Plötzlich hörten wir die Stimme. Schon zuvor hatten wir sie vernommen.
Auch diesmal klang sie uns grollend entgegen.
»Ich weiß und ich sehe alles. Es war die erste Warnung. Ihr werdet verschwinden. Laßt das ruhen, was mächtige Kräfte vor langen, langen Zeiten geschaffen haben…«
Rakina hatte gesprochen. Wir suchten nach ihr, konnten sie aber nicht entdecken.
»Wir gehen trotzdem«, sagte ich und übernahm die Führung.
Suko folgte in meiner Spur. Wir mußten den Wald umgehen. Danach würden wir schon das Hotel sehen.
Ständig sanken wir tief ein. Vor allen Dingen Suko, der durch das Gewicht der Leiche besonders schwer war.
Hinter mir hörte ich das scharfe Keuchen meines Partners. »Soll ich dich ablösen?« fragte ich.
»Nein, nein, es klappt schon.«
Die Zeit verstrich, und die Schatten wurden länger. In den Bergen, vor allen Dingen den engen Tälern, fiel die Dunkelheit oft sehr früh ein.
Wenn man auf den Gipfeln noch in den letzten Strahlen der Sonne baden konnte, war es in den Tälern nicht einmal mehr möglich, eine Zeitung zu lesen.
Bisher hatten wir viel Pech gehabt. Eine Strähne hält nicht immer an.
Das war auch bei uns so.
An Hubschrauber hatten wir uns in der letzten Zeit gewöhnt. Vor allen Dingen Suko, dem Jane Collins in London eine solche Maschine praktisch vor der Nase weggestohlen hatte.
Wir blieben stehen, als wir das typische Dröhnen vernahmen.
Zunächst konnte ich nichts sehen, dann, als das Geräusch lauter geworden war, sah ich den Copter.
Er flog dicht über den verschneiten Baumwipfeln des Waldes.
Feuerrot mit weißen Streifen, so war die äußere Verkleidung lackiert.
Ein Zeichen, daß der Hubschrauber zum Hotel gehörte.
Wir winkten.
Der Pilot entdeckte uns schnell, flog einen Bogen, um in unserer Nähe landen zu können. Die Maschine war für solche Landungen speziell ausgerüstet. Sie besaß breite Skibretter als Kufen.
Schneewolken wirbelten in die Höhe, als sie vom Luftstrom der Rotorenblätter erfaßt wurden.
»Die letzten Meter schaffen wir auch noch«, sagte Suko und stampfte weiter.
Der Pilot hatte seine Maschine verlassen. Er bekam einen Schreck, als er den Toten sah.
»Mein Gott, wie konnte das passieren?«
Ich hatte mir schon eine Ausrede zurechtgelegt. »Er ist abgestürzt.«
»Glaube ich nicht so recht.« Der Mann beugte sich über die Leiche.
»Das sind seltsame Wunden. Ist er mit einem Raubtier in Berührung gekommen?«
»Ja.«
»Aber Bären soll es hier in der Nähe nicht geben. Die haben sich in die tieferen Wälder zurückgezogen.«
»Wir fanden ihn, da war er schon nicht mehr am Leben. Wir hatten uns getrennt, wissen Sie. Da mein Freund und ich keine perfekten Läufer sind, nahmen wir uns einen weniger steilen Hang vor.«
»Das ist verständlich.« Der Pilot nickte. »Und er? Wo ist er gelaufen?«
»Nahe der Felsen wohl.«
»Das ist gefährlich. Aber er kennt die Gegend doch…« Der Mann hob die Schultern. »Nicht mein Bier. Ich bin nur unterwegs, weil wir im Hotel ein Donnern gehört haben. Wir dachten sofort an eine Lawine. War es so?«
»Wir sind unter ihr begraben worden.«
»Er auch?« Damit meinte der Mann den Toten.
»Ja. Wir fanden ihn ein Stück entfernt, als wir nachsuchten. Es ist verdammt schlimm.«
»Da haben Sie recht. Ich kannte Morg Behan schon länger. Eigentlich habe ich ihn stets gemocht.« Er schüttelte den Kopf. »Daß ihn so ein Schicksal trifft, hätte ich nie erwartet.«
»Passen wir alle in den Copter?« fragte ich.
»Klar. Das geht.«
Wenig später waren wir eingestiegen. Der Start verlief glatt, und
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