031 - Der Puppenmacher
Niemand, vielleicht nicht einmal der Fürst der Finsternis, wußte, welche Fähigkeiten ein Hermaphrodit besaß und welche Bedrohung für die Mächte der Finsternis von ihm ausging und deshalb fürchteten die Dämonen diese Zwitterwesen.
Coco war überzeugt, in Phillip Hayward einen Hermaphroditen vor sich zu haben. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Blitzschlag. Plötzlich war alles für sie klar. Die Dämonen würden alles daransetzen, um Phillip aus dem Weg zu räumen.
Ihr erster Gedanke war, Dorian anzurufen und ihn zu veranlassen, Phillip von hier fortzubringen. In Dorians Haus, das mit seinen vielen magischen Gegenständen ein Bollwerk gegen die Dämonen war, wäre Phillip viel sicherer gewesen. Hier jedoch war nur sie mit ihren bescheidenen Mitteln; sie konnte nicht sicher sein, daß es ihr wirklich gelingen würde, Phillip gegen die Mächte der Finsternis zu schützen.
Sie wollte schon nach dem Telefonhörer greifen, überlegte es sich dann aber anders. Sie mußte sich mit den Dämonen messen, um ihnen ihre eigenen Fähigkeiten zu demonstrieren.
Vielleicht konnte sie sie dadurch einschüchtern.
Sie mußte diese eine Nacht durchstehen und durfte Dorian erst am nächsten Tag informieren.
Coco spürte die Anwesenheit der Dämonen, die entlang der Wände lauerten. War Lord Hayward, Phillips Vater, einer von ihnen? Oder seine Frau? Nein, wohl kaum, denn dann hätten sie Phillip gleich nach der Geburt getötet und ihn nicht erst mehr als zwanzig Jahre alt werden lassen. Aber es war möglich, daß die Dämonen, die Phillip Nacht für Nacht heimsuchten, ihren Sitz in diesem Haus hatten. Am Tage würden sie von anderen Menschen kaum zu unterscheiden sein; nur des Nachts, wenn das Böse in ihnen durchbrach, wurde ihre unheimliche Veranlagung offenbar; dann wurden sie zu Druden und Trollen, Schatten und Nebeln, die sich auf ahnungslose Opfer stürzten und ihnen das Leben aussaugten.
Diese Quälgeister konnten Phillip aber nicht wirklich etwas anhaben, wenn er ein Hermaphrodit war. Die Dämonen konnten nur Menschen oder ihresgleichen vernichten, nicht aber ein Zwittergeschöpf, das zwischen den Dimensionen stand. Die Dämonen mußten sich schon der Hilfe der Menschen bedienen und sich eine List einfallen lassen, um einen Hermaphroditen zu Fall zu bringen. Magische Kräfte allein nützten nichts; damit konnte Phillip nur in Schach gehalten werden.
Coco zuckte zusammen, als irgend etwas gegen das Fenster stieß und die Scheiben klirren ließ. Im selben Moment ließen sich von der Decke drei dunkle, bucklige Kobolde fallen und krallten sich in Phillips Brust fest.
Phillip schrie auf. Seine Arme vollführten rudernde Bewegungen, seine Hände versuchten die Dämonen zu packen, doch sie griffen durch sie hindurch.
Coco schleuderte ihnen das silberne Kreuz entgegen, und über ihre Lippen sprudelten die Namen aller Heiligen, die ihr in den Sinn kamen. Doch damit richtete sie bei den Kobolden nichts mehr aus. Sie hatten sich an Phillips Körper schon zu sehr festgesaugt, um durch Bannsprüche verjagt werden zu können.
Coco resignierte erschöpft. Es hatte sie viel Überwindung und Kraft gekostet, die Heiligen anzurufen. Nun gab es nur noch eine Möglichkeit, Phillip wenigstens vorübergehend zu schützen.
Sie ergriff eine schwere Bronzefigur, die auf einer Anrichte stand und schlug damit gegen die Wand, bis der Verputz abbröckelte. Dann ergriff sie einen der größeren Brocken und begann, um das Bett einen magischen Kreis zu ziehen. Sie malte die magischen Schriftzeichen aus der Kabbala auf den Boden und zeichnete alle jene Formeln daneben, über die Dämonen stolperten oder in denen sie sich fingen.
Als sie endlich fertig war, atmete sie schwer. Sie war selbst noch zu sehr der schwarzen Magie verfallen, als daß die magischen Abschreckungsmittel sie völlig kalt gelassen hätten; aber sie hatte sich überwunden. Kraftlos ließ sie sich auf den Bettrand sinken.
Phillip war wieder ruhiger geworden. Sein Atem kam zwar schwach, aber regelmäßig. Seine feingliedrigen Hände schlugen nicht mehr in wilder Panik um sich, sondern streichelten liebevoll seinen Körper. Die Hände des Hermaphroditen führen ein eigenes Leben, durchzuckte es Coco.
Noch während sie den verführerischen Tanz der schlanken Finger beobachtete, kam Bewegung in Phillips Körper. Er richtete sich auf, öffnete die golden schimmernden Augen und starrte ins Leere – durch Zeiten und Räume hindurch. Seine Rechte kam in die Höhe und deutete aufs
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