Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
031 - Der Puppenmacher

031 - Der Puppenmacher

Titel: 031 - Der Puppenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
Vom Netzwerk:
harren. Es war schon spät, beinahe zweiundzwanzig Uhr, und nichts hatte sich bisher ereignet; nicht einmal Lord Hayward hatte sich blicken lassen.
    Dorian wurde aus dem Alten nicht klug. Er war selbst kein Dämon, aber er schien ihnen völlig verfallen zu sein.
    Dorian zuckte zusammen, als etwas gegen das Fenster schlug. Er schaute hinaus, konnte aber nichts sehen. Als er jedoch die schweren Vorhänge zuziehen wollte, gab Phillip einen krächzenden Laut von sich. Er hatte sich aufgerichtet und fuchtelte verzweifelt mit den Händen in Dorians Richtung. Dorian verstand ihn. Er ließ vom Vorhang ab und begab sich zu Phillips Bett.
    »Wenn ich nur all deine Hinweise verstünde«, meinte er niedergeschlagen.
    Phillip öffnete den Mund.
    »Alina«, kam es abgehackt über seine Lippen. Und wieder: »Alina!«
    »Sie muß wohl deine große Liebe und deine große Enttäuschung zugleich gewesen sein«, sagte Dorian mitfühlend.
    Phillip fuchtelte mit den Händen vor Dorians Gesicht herum. »Alina!« rief er und machte Anstalten, aus dem Bett zu klettern.
    »Wohin willst du?« fragte Dorian, obwohl er wußte, daß er keine Antwort zu erwarten hatte.
    Phillip kletterte aus dem Bett und kam stolpernd auf die Beine. Dorians Hände schüttelte er ab. Er schritt geradewegs auf das Fenster zu. Als er es erreicht hatte, suchten seine tastenden Hände nach dem Hebel, um es zu öffnen. Er war noch schlimmer dran als ein Blinder, ihm fehlte auch jeglicher Tastsinn. Phillip lebte in einer anderen Sphäre.
    Vor Wut über sein Unvermögen, das Fenster zu öffnen, zerschlug er mit der Faust die Scheibe. »Phillip!«
    Dorian war Sekundenbruchteile später an seiner Seite und half ihm. Phillip schien zufrieden. Er atmete die kalte Luft in tiefen Zügen ein.
    Dann gewährte Dorian auf dem Fensterbrett plötzlich eine Bewegung. Er hob automatisch den Prügel, als er die blonde Puppe gewährte, und schlug zu. Aber die Puppe war bereits geflüchtet. Dumpf krachte das Stuhlbein auf das Fensterbrett.
    Dorian verfolgte, wie die Puppe durch die Luft auf Phillip zuflog. Sie bekam sein Nachthemd in Hüfthöhe zu fassen, krallte sich daran fest und kletterte an ihm hoch. Wenn sie den Halsausschnitt erreicht, wird sie Phillip mit einem Biß ihrer vergifteten Zähne töten, durchzuckte es Dorian.
    Er holte aus, um die Puppe mit einem Hieb davonzuschleudern, doch noch bevor er zuschlagen konnte, bekam er einen Stoß vor den Kopf, so daß er einen Schritt zurücktaumelte.
    Verständnislos registrierte Dorian, daß es Phillip gewesen war, der seinen Angriff abgewehrt hätte. Phillip umschloß die Puppe schützend mit seinen Händen und preßte sie an seinen kleinen Busen. »Alina!«
    Es klang wie ein Seufzer der Erlösung.
    Dorian wagte nicht, sich zu rühren. Er erwartete jeden Augenblick, daß die Puppe Phillip biß, aber statt dessen schmiegte sie sich zärtlich an ihn.
    Die Puppe war zweifellos Alina Burdon; das hätte Dorian sogleich erkannt; dennoch hätte er seine Seele verwettet, daß sie Phillip töten würde. Sie war ein Werkzeug des Puppenmachers; Roberto Copellos Sklavin. Daß sie Phillip aber nichts tat zeigte Dorian, daß ihre Zuneigung zu ihm stärker war als alle schwarze Magie.
    Er atmete auf. Es stimmte also: Wo echte Liebe war, zerbrach die Macht der Dämonen.
    Dorian sah mit der Ankunft Alinas seine Chance gekommen, das lange Warten endlich zu beenden. »Alina, ich bin Phillips Freund«, sagte er zu der Puppe. »Ich möchte ihm helfen. Führe mich zum Puppenmacher; damit ich ihn zur Strecke bringen kann! Nur wenn ich ihn töte, ist Phillip in Sicherheit.«
    Die Antwort war ein wütendes Fauchen.
    Dorian hatte leidenschaftlich mit den Händen gestikuliert, um seine Worte zu unterstreichen. Dabei war er der Puppe zu nahe gekommen. Sie mußte ihn mißverstanden haben, denn plötzlich zuckte ihr Kopf nach vorn, und ihre Zähne gruben sich in die Kuppe von Dorians Daumen.
    Er zuckte kreidebleich zurück und starrte auf die Wunde. Sie konnte sein Tod sein. Im günstigsten Fall aber – wenn die Zähne der Puppe kein tödliches Gift enthielten, sondern nur ein Betäubungsmittel – würde er das Bewußtsein verlieren. Und auch das würde seinen Untergang bedeuten. Doch seltsamerweise verspürte er keinerlei Wirkung. Er begann wieder Hoffnung zu schöpfen und erinnerte sich des Zwischenfalls im Park bei seinem ersten Besuch. Auch damals war er von einer Puppe gebissen worden, deren Zähne nicht vergiftet gewesen waren. Zweifellos hatte es sich

Weitere Kostenlose Bücher