031 - Die blaue Hand
Vorsicht war geboten, er mußte klar und nüchtern überlegen. Salter war verteufelt klug und hatte alle einschlägigen Bestimmungen in den Fingerspitzen.
Glücklicherweise befand sich das Guthaben der Dreizehn auf einer anderen Bank. Wenn es zum Letzten kommen sollte, mochten elf von den dreizehn sehen, was sie anfingen.
Der Direktor kam mit der Kontoabrechnung zurück. Einige Minuten später ging Digby zu seinem Wagen. Seine Taschen waren aufgebauscht von den vielen Banknoten, die er bei sich trug.
Ein großer, bärtiger Mann stand auf dem Gehsteig, als er ins Freie trat. Digby sah ihn neugierig an und wußte sofort, daß es ein Detektiv war. Befaßte sich die Polizei schon mit ihm? Oder war es nur ein Privatdetektiv, den Salter ihm nachschickte? Er entschied sich für die letztere Annahme.
Als er nach Hause kam, fand er ein Telegramm von Villa vor. Der Inhalt war kurz, doch sehr zufriedenstellend:
Kaufte Pealigo hundertzwölftausend Pfund. Schiff unterwegs nach Avonmouth. Bringe Kapitän mit Flugzeug. Komme Grosvenor Square neun Uhr abends.
Er las das Telegramm zweimal, sein Gesicht hellte sich auf. Er dachte an Eunice. Die Lage war nicht hoffnungslos, sie hatte sogar ihr Gutes.
30
Die Läden waren geschlossen, die Vorhänge gezogen. Eunice saß in dem halbdunklen Zimmer und versuchte zu lesen, als Digby Groat hereinkam. Sie wurde blaß und erhob sich.
»Guten Abend, Miss Weldon. Ich hoffe, Sie haben sich nicht zu sehr geärgert?«
»Wollen Sie mir bitte erklären, warum man mich hier gefangenhält?« fragte sie atemlos.
Er lachte ihr ins Gesicht.
»Wir können endlich einmal offen miteinander reden. Das ist eine Wohltat. Die vielen höflichen Redensarten sind mir ebenso lästig wie Ihnen.« Er griff nach ihrer Hand. »Wie kalt Sie sind, meine Liebe!«
»Wann kann ich dieses Haus verlassen?« fragte sie leise.
»Sie wollen dieses Haus verlassen?« Er warf die Handschuhe auf einen Stuhl und packte sie an den Schultern. »Sie meinen wohl, wann wir zusammen das Haus verlassen? So lautet die Frage richtig. Auf diesen Augenblick habe ich gewartet - Sie sind schön, Eunice ...«
Jetzt erst erkannte sie ihre Lage ganz. Die Maske war gefallen. Sie stand nur steif da und starrte ihn an. Aber dann kam sie zu sich und stieß ihn mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft von sich. Von Wut und Gier aufgestachelt, sprang er von neuem auf sie zu. In ihrem Entsetzen schlug sie ihn zweimal mit der geballten Faust ins Gesicht. Ein unterdrückter Wutschrei - er taumelte zurück. Bevor er sie wieder erreichen konnte, hatte sie den Baderaum erreicht und die Tür zugeriegelt. Minutenlang stand er davor und forderte Einlaß. Langsam trat er ins Zimmer zurück, blieb vor dem Spiegel stehen und betrachtete sich.
»Sie hat mich geschlagen!« murmelte er. Er war kreidebleich. »Geschlagen!« Er lachte böse. Das sollte sie büßen!
Er verließ das Zimmer, schloß die Tür ab. Er hielt noch die Hand auf der Klinke, als er ein Geräusch hörte und den Gang entlangsah. Seine Mutter stand vor ihrem Zimmer. In befehlendem Ton rief sie:
»Digby, komm her zu mir!«
Er war so erstaunt, daß er gehorchte und ihr ins Zimmer folgte.
»Was willst du von mir?«
»Schließ die Tür und setz dich!«
Es war schon über ein Jahr her, daß sie so mit ihm gesprochen hatte!
»Was, zum Teufel, bildest du dir ein? Mir hier Befehle zu erteilen ...« »Sei still!«
Nun wurde ihm der Zusammenhang klar.
»Du hast wieder Morphium gehabt, du ... «
»Schweig und setz dich, Digby Estremeda! Ich will mit dir sprechen!«
Sein Gesicht zuckte. »Du - du ...« begann er nochmals.
»Still! Ich will wissen, was du mit meinem Vermögen gemacht hast!«
Er traute seinen Ohren nicht.
»Was hast du mit meinem Vermögen gemacht?« wiederholte sie. »Ich war dumm genug, dir eine Generalvollmacht durch den Notar ausstellen zu lassen. Was hast du damit gemacht? Hast du alles verkauft?«
Er war so überrascht, daß er ihr Rede und Antwort stand.
»Man hat einen Einspruch oder so etwas Ähnliches erhoben, so daß ich nicht verkaufen konnte.«
»Ich hoffte, daß man es tun würde!«
»Was? Was hast du gehofft?« Er fuhr vom Stuhl auf.
Mit einer gebieterischen Handbewegung brachte sie ihn wieder zum Sitzen. Als wäre er aus einem Traum erwacht, fuhr er sich mit der Hand über die Augen. Sie wagte es, ihm zu befehlen - und er gehorchte ihr widerspruchslos! Er selbst hatte ihr Morphium gegeben, um sie zu beruhigen, und nun war sie wieder Herrin der Lage.
»Warum
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