031 - Die Stunde der Ameisen
nur auf meine wahre Gesinnung testen. »Ich will endlich wissen, was ihr gegen mich habt«, sagte ich und blickte mich wütend um.
»Das wirst du rechtzeitig hören«, sagte Georg grimmig. »Jetzt halt den Mund.«
Die Zeit schien stillzustehen. Ich versuchte mich aus dem Bann zu befreien, der mich daran hinderte, die Wahrheit zu sagen. Ich wollte meiner Familie helfen und ihr sagen, daß ich es gewesen war, die Peter Winkler-Forcas verraten hatte, daß der Henker die Beine eines Vampiropfers besaß. Ich ahnte, was geschehen würde. Ich konnte mich nur zu genau in die Lage der Winkler-Forcas' versetzen.
Wir mußten nicht lange warten. Die Sonne ging strahlend auf, und vier schwarze Wagen fuhren auf die Winkler-Forcas-Villa zu. Das breite Gartentor wurde von unsichtbaren Händen geöffnet und die Wagen fuhren den schnurgeraden Weg entlang, der zum Haus führte.
»Sie sind nach Hause gekommen«, zischte Volkart.
Der Henker setzte sich langsam in Bewegung. Seine Arme hingen lässig herunter. Er blieb vor dem Tor stehen, griff nach den Stäben und zuckte zurück, als habe er einen gewaltigen elektrischen Schlag bekommen. Kurz wälzte er sich auf dem Boden, dann setzte er sich auf, und nach einigen Sekunden erhob er sich wieder.
»Wir müssen jetzt alle zusammenhalten«, sagte mein Vater. »Gemeinsam schaffen wir es. Die magische Sperre ist nicht so stark, wie die Winkler-Forcas' glauben, und unser Henker verfügt über einige Fähigkeiten, von denen niemand außer mir und Ingvar etwas weiß. Der Henker wird in den Garten und das Haus gelangen und ihnen eine unangenehme Überraschung bereiten.« Er wartete, bis sich die magischen Kräfte seiner Familie gesammelt hatten, dann übertrug er die geballte Kraft auf den Henker, der zielstrebig auf das Gartentor zuging. Die eisernen Gitterstäbe glühten plötzlich rot auf, verbogen sich und zerplatzten. Ohne aufgehalten zu werden, stapfte der Henker in den Garten der Winkler-Forcas' und eilte zielstrebig auf das Haus zu.
Sie müssen ihn eigentlich schon entdeckt haben , dachte ich. Ich konnte den Blick nicht von der magischen Kugel lösen. Verbissen kämpfte ich gegen den Zwang an, doch er war zu stark. Ich mußte die Melodie summen, die durch meinen ganzen Körper schwang. Das Bild in der magischen Kugel wurde schwächer; die Verbindung mit dem Henker riß plötzlich ab. Mein Vater sprang grimmig auf und baute sich vor mir auf.
Der Hüter des Hauses riß sich die Maske vom Gesicht und beugte sich vor. Die Würmer, die sich an seinem Kopf festgesaugt hatten, krabbelten unruhig hin und her. Ein besonders dicker Wurm löste sich und drohte auf mich zu fallen.
»Zurück, Rupert!« sagte mein Vater scharf, und das unheimliche Geschöpf gehorchte.
»Sie ist eine Verräterin«, kreischte der Hüter. »Sie hat den Tod verdient.«
»Sie zu richten, ist meine Aufgabe«, sagte Michael Zamis. Der Hüter zog sich zurück und stülpte sich wieder die Maske über das abstoßend häßliche Gesicht.
»Sie hat unsere Gegenmaßnahme vereitelt!« brüllte Georg mit sich überschlagender Stimme. »Rupert hat recht. Wir müssen sie töten, sonst stürzt sie uns alle ins Unglück.«
»Ruhig!« sagte Michael Zamis. »Seid alle still!« Er warf der magischen Kugel einen raschen Blick zu, und sie flammte wieder auf. Der Henker war zu sehen – ziemlich undeutlich und verschwommen. Einzelheiten waren nicht zu erkennen. Es war, als würde die grauenhafte Gestalt durch einen dichten Nebel waten. Sie hatte das Haus der Winkler-Forcas' jetzt erreicht. Das Bild wurde für einen Augenblick deutlicher. Ein halbes Dutzend Dämonen strömten aus dem Haus. Sie wurden von Radmin Winkler-Forcas, dem Oberhaupt der Forcas-Familie, und dem ältesten Sohn Ernied angeführt. Hinter Ernied waren Peter und Elvira zu sehen. Sie hielten gewaltige Beile in den Händen, und Ernied trug einen dicken Holzpfahl.
»Wir müssen mit dem Henker Verbindung aufnehmen«, schrie Michael Zamis. »Sie wissen, daß er Beine eines Vampiropfers besitzt. Sie werden versuchen, ihn zu pfählen. Rasch!«
Da summte ich wieder die Todesmelodie und lähmte so die magischen Kräfte meiner Familie. Das Bild in der Kugel erlosch, und meine Geschwister heulten wütend auf. »Schafft Coco hinaus!« tobte mein Vater.
Georg riß mich wütend hoch. Ich war immer noch halb besinnungslos. In der Diele warf er mich wie einen Sack zu Boden, und der Hüter des Hauses blieb neben mir stehen. »Wenn sie irgendwelche Dummheiten macht, dann töte
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