031 - Die Stunde der Ameisen
drohte mir keine Gefahr. Und vielleicht war es mir möglich, mich mit wachsender Entfernung zu den Winkler-Forcas' aus dem Bann zu lösen, der mich daran hinderte, die Wahrheit zu sagen. Der Hüter des Hauses bewachte mich weiterhin, während die anderen alle Vorbereitungen zur Abreise trafen.
Wir nahmen nur wenig mit. Michael Zamis überprüfte die beiden Wagen, mit denen wir fahren wollten. Er hatte immer mit der Möglichkeit gerechnet, daß irgendeine Familie sich mal gegen ihn wendete, und für den Fall einige Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Die Zamis-Familie hatte einen Fluchtweg, den nur er kannte. Es war uns möglich, das Haus zu verlassen, ohne von den Winkler-Forcas' bemerkt zu werden, selbst wenn diese das Gelände überwachten.
Wir luden unser Gepäck in die beiden Wagen, dann wurde der tote Demian, der in einem schwarzen Sarg ruhte, in eines der Autos gehoben. Wir wollten ihn mit den entsprechenden Zeremonien in Italien bestatten. Auch der Henker wurde mitgenommen. Ich stieg in den Wagen, in dem mein Vater und meine Mutter saßen. Neben mir nahm der Hüter des Hauses Platz, der mich ununterbrochen beobachtete.
Dann fuhren wir los.
Gegenwart
Coco Zamis blickte unwillig auf, als Skarabäus Toth ins Zimmer trat. Wie so oft in den vergangenen Tagen hatte sie an ihre Jugend gedacht und herauszubekommen versucht, wer wohl der Tote sein würde, der aus seinem Grab auferstehen sollte, wenn sie nicht den letzten Wunsch ihres Vaters erfüllte.
»Woran hast du gedacht, Coco?« fragte Skarabäus Toth und blieb vor ihr stehen.
Coco steckte sich eine Zigarette an.
»An den Kampf unserer Familie gegen die Winkler-Forcas'«, sagte sie.
»Das ist schon lange her«, meinte Toth.
Coco nickte. Sie war nun schon seit zwölf Tagen Skarabäus Toths Gefangene. In den vergangenen Tagen hatte sie verzweifelt nach einem Ausweg gesucht, doch keinen gefunden. Außerdem machte sie sich Sorgen um Dorian Hunter. Immer wieder fragte sie sich, was wohl Kiwibin, der geheimnisvolle bärtige Mann, von Dorian gewollt haben mochte.
»Du mußt dich mit deinem Schicksal abfinden, Coco«, sagte Skarabäus Toth.
»Das kann ich nicht«, sagte sie resigniert. »Ich denke nicht daran, Cyrano zu heiraten. Ich hasse ihn aus tiefster Seele. Die fünf Jahre, die ich auf seinem Schloß verbringen mußte, waren für mich entsetzlich. Fünf endlose Jahre war ich seine Gefangene. Mein Vater wußte ganz genau, wie ich zu meinem Patenonkel stehe, und trotzdem hat er gerade ihn ausgewählt.«
»Das sollte wohl die Strafe sein für all die Schande, die du über deine Familie gebracht hast.«
»Ich weiß, daß mich mein Vater noch über das Grab hinaus strafen will«, sagte Coco und drückte die Zigarette aus. »Aber ich werde seinen Wunsch nicht erfüllen.«
»Du hast keine Wahl. Die magische Kugel hält dich fest, und mit Dorian Hunter braucht du nicht zu rechnen.«
»Was wissen Sie von Hunter?«
»Ich habe einige Informationen aus London erhalten. Er ist spurlos verschwunden. Kein Mensch weiß, wo er sich aufhält. Einige nehmen an, daß er tot ist.«
Coco ließ sich auf den Stuhl zurückfallen und schloß die Augen.
»Und sollte er tatsächlich nach Wien kommen und in mein Haus eindringen wollen, wird er eine böse Überraschung erleben.«
»Abwarten«, sagte sie.
Die Türglocke summte, und Toth ging aus dem Zimmer.
»Wenn es mein Patenonkel ist, dann will ich ihn nicht sehen!« rief sie Toth nach, der nicht auf sie hörte.
Sekunden später näherten sich Schritte, und Graf Cyrano von Behemoth trat ins Zimmer. Coco warf ihm einen flüchtigen Blick zu und wandte den Kopf ab.
»Guten Morgen!« sagte Behemoth und kam näher.
Coco erwiderte seinen Gruß nicht. Sie griff nach einer Zeitung und las.
Der Graf setzte sich ihr gegenüber. Er grinste teuflisch. »Ich habe alle Vorbereitungen zu unserer Hochzeit bereits getroffen«, berichtete er höhnisch. »Es wird ein schauriges Fest werden. Die Feierlichkeiten werden auf meinem Schloß stattfinden, das du ja überaus schätzt.«
Coco schleuderte die Zeitung zur Seite und blickte ihren Onkel grimmig an. »Geh mir aus den Augen, Cyrano!« sagte sie böse. »Dein Anblick verursacht mir Übelkeit.«
»Sie ist reizend wie immer«, höhnte Cyrano von Behemoth. »Dabei ahnt sie gar nicht, welche Freuden sie an meiner Seite erwartet.«
»Die kann ich mir lebhaft vorstellen. Aber ich verzichte dankend darauf. Mach, daß du hinauskommst, Cyrano! Ich habe genügend lange deinen Anblick
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