031 - Die Stunde der Ameisen
feindlichen Familie nennen. Es liegt nun ganz an Ihnen, wie Sie sich verhalten, Herr Zamis.«
Mein Vater nickte. »Ich werde Ihnen meine Entscheidung vor dem Morgengrauen mitteilen, Herr Toth. Danke für Ihren Besuch.«
Der Schiedsrichter stand auf, verbeugte sich leicht und wurde von meinem Vater aus dem Haus begleitet.
Einige Minuten später kehrte Michael Zamis zurück. »Wir haben eine Nacht Zeit, um herauszubekommen, wer uns den Kampf angesagt hat. Diese Zeitspanne müssen wir nutzen. Wir werden uns so verhalten, als wäre nichts geschehen. Und morgen beschwören wir den Henker und schicken ihn aus. Im Morgengrauen. Ich denke nicht daran zu kapitulieren. Wir nehmen den Kampf auf und werden unseren Gegner vernichten. Er ist zu siegessicher, sonst hätte er uns keine Gnadenfrist eingeräumt. Das könnte sein Verhängnis sein … Volkart und Coco können uns nicht viel helfen. Aber ihr anderen werdet von mir genauestens instruiert: Heute abend findet das allmonatliche Fest der Lexas' statt. Ich weiß, daß du eingeladen bist, Vera. Und du wirst hingehen – gerade weil jetzt niemand mehr mit deinem Erscheinen rechnen wird. Für dich, Lydia, habe ich dagegen eine andere Aufgabe. Du wirst dich mit Heinz Nowottny treffen und ihn ein wenig aushorchen.«
»Wird er wegen des Zeitpunkts nicht Verdacht schöpfen? Ich habe ihn sonst ja eigentlich nie sonderlich beachtet«, meinte sie unsicher.
Mein Vater zuckte die Schultern. »Und wenn schon. Er kann es sich nicht leisten, die Einladung auszuschlagen, denn das würde seine Familie sofort verdächtig machen. Du weißt selbst, daß er nur sehr geringe magische Fähigkeiten hat. Es dürfte also kein Problem sein, ihn unter Hypnose auszufragen.« Nachdem er meine Schwestern auf diese Weise instruiert hatte, trug er Georg schließlich auf, den Winkler-Forcas' einen Besuch abzustatten.
»Mit denen verstehe ich mich überhaupt nicht«, entgegnete mein Bruder mürrisch.
»Das spielt keine Rolle«, sagte Vater. »Ihr drei versucht herauszubekommen, wer uns den Kampf angesagt hat.«
»Ich verspreche mir nicht viel davon«, meinte Lydia.
»Das ist gleichgültig!« erwiderte er scharf. »Wir haben keine andere Wahl. Ich werde euch ganz genau sagen, was ihr zu tun habt. Vergeßt den Tod eures Bruders und laßt euch nicht vom Haß leiten! Ihr müßt Ruhe bewahren. Nur so können wir etwas erreichen. Wir werden uns verstellen und die Familien täuschen. Es ist immer gut, wenn uns der Gegner unterschätzt. Sollen sie ruhig glauben, daß wir Angst haben und uns der Schreck richtig in die Glieder gefahren ist. Ihr weidet die einzelnen Familien um Hilfe in der Auseinandersetzung bitten. Ich bin gespannt, wie sie reagieren werden. Wahrscheinlich werden sie sich allesamt verweigern. Aber das werden sie dann eines Tages büßen müssen.«
Lydia hatte Heinz Nowottny angerufen, der am Telefon ziemlich verstört geklungen hatte und überrascht gewesen war, daß Lydia sich mit ihm zum Essen verabreden wollte. Sie hatte ungewöhnlich viel Zeit vor dem Spiegel zugebracht, sich sorgfältig geschminkt und ihr Haar aufgesteckt, bevor sie aus dem Haus ging. Ein dunkelrotes Kleid betonte ihre sanften Formen.
Dabei wußte sie, daß Heinz schon seit längerer Zeit ein Auge auf sie geworfen hatte. Noch vor einem Jahr wäre es für Lydia völlig undenkbar gewesen, mit einem Würstchen wie Heinz Nowottny auszugehen. Von Vater hatte sie genaue Instruktionen bekommen, wie sie sich zu verhalten hatte. Er wollte die ganze Zeit über in magischem Kontakt mit ihr bleiben.
Sie traf Heinz Nowottny in einem exklusiven Restaurant in der Weihburggasse. Er hatte einen Tisch reserviert, und vier Kellner umtänzelten sie. Nowottny war in Lydias Alter. Er besaß einen Körper wie ein Kleiderschrank und war nicht gerade ein charmanter Plauderer. Heute abend führte er sich wie ein Bauerntölpel auf. Ständig zupfte er nervös an seiner Krawatte herum, wußte nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte und brachte kaum einen normalen Satz zustande. Unter anderen Umständen hätte sich Lydia über ihn königlich amüsiert, doch dazu war jetzt nicht der passende Augenblick. Sie ertrug sein Gestammel und ließ sich nichts von ihrer eigenen Anspannung anmerken. Heinz vermied es peinlich, das Gespräch auf die Probleme zu bringen, die Lydia interessierten.
Während des Essens löste sich seine Verkrampftheit etwas. Lydia aß gelegentlich einen Bissen und versuchte zu verbergen, wie wenig Appetit sie eigentlich
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