0313 - Der Blutgraf erwacht
Ländereien gereift war. Die Kellereien hatten die Weinberge gepachtet, und Zamorra verdiente nicht schlecht daran. Und er genoß das Privileg, seinen eigenen Wein kosten zu können.
Nicole Duval, seine schöne und clevere Lebens- und Kampfgefährtin und Sekretärin in einer Person, hatte gerade den Telefonhörer am breiten »Kommandopult« des Arbeitszimmers auf die Gabel gedrückt und schwang mit dem schweren Drehsessel herum. Zamorra sah unverschämt lange nackte Beine, die in äußerst knappen Shorts und einer halb offenen Bluse endeten. Nicole sah nicht ein, warum sie im trauten Heim mehr als unbedingt nötig tragen sollte, und Zamorra erfreute sich daran.
»Gryf, der alte Schwerenöter«, sagte sie.
»Gryf telefoniert?« Zamorra hob die Brauen. »Sonst kommt er doch per zeitlosem Sprung direkt hierher, wenn er etwas hat.«
»Gryf rief von Mona aus an«, sagte Nicole. »Wahrscheinlich hat er einen Angelurlaub gemacht.«
Mona, von den Engländern Anglesey genannt, war die legendäre Druideninsel nördlich von Wales. Wo sonst, wenn nicht dort, sollte Gryf eine kleine Hütte haben, die er zuweilen bewohnte? Zumeist allerdings hielt er sich in der unsichtbaren Burg des nicht minder legendären Magiers Merlin auf, gemeinsam mit der Druidin Teri Rheken.
Zamorra grinste.
Gryf hatte auf Mona kein Telefon. Dennoch benutzte er das Telefonnetz, weil er sich gewohnheitsmäßig mittels Magie in die Leitung einfädelte. Mit einer bestimmten magischen Zahl als Vorwahl konnte er selbst sogar angerufen werden. Zamorra hatte es selbst einmal miterlebt, als er für ein paar Tage Urlaub in Gryfs Hütte machte. Etwas, fand er, das durchaus eine Wiederholung wert war. Auch im Beaminster Cottage in der englischen Grafschaft Dorset, das dem alten Stefan Möbius gehörte, ihm aber stets offenstand, war er lange nicht mehr gewesen.
»Und was wollte der größte Vampir- und Schürzenjäger unter der Sonne?«
»Dich einladen mitzukommen. Nach Deutschland, nach Geyerstedt. Zu einer Art parapsychologischem Kongreß.«
»Wie beliebten zu murmeln?« fragte Zamorra und nahm vorsichtshalber noch einen Schluck Wein. Der schmeckte wirklich exzellent.
Das letzte Jahr mit seiner reichhaltigen Sonne hatte eine prachtvolle Lese hervorgebracht.
»Ein parapsychologischer Kongreß? Geierstadt? Davon müßte ich doch wissen. Oder habe ich aus Versehen den Terminkalender vom vorigen Jahr hier liegen?«
»Geyerstedt, mit Ypsilon und kurzem E«, verbesserte Nicole. »Das ist irgendwo im nördlichen Hessen, sagte er.«
»Nördliches Hessen? Kassel vielleicht! Das wäre eine Gelegenheit, mal wieder alte Freunde zu besuchen. Bloß höre ich zum erstenmal, daß da ein Para-Kongreß laufen soll.«
»Nicht in Kassel, sondern in Geyerstedt. Wo das liegt, weiß ich auch noch nicht genau, cherie. Gryf sprach auch nur von einer Art Kongreß. Da soll sich eine Gruppe interessierter Leute zusammengetan haben. Sie haben einige Experten eingeladen, die Vorträge und Diskussionen durchführen sollen. Parapsychologie, Okkultismus, Zauberei, Magie… in Theorie und Praxis. Sogar der Unterschied zwischen einem echten Magier und einem Bühnenzauberer soll anhand von Vorführungen geklärt werden.«
»Die haben sich aber viel vorgenommen. Warum weiß ich nichts davon?«
»Weiß der Geier…«
»… hoffentlich nicht der Geier aus Geierstadt. Blödsinn, eine ganze Stadt nach so einem nackthalsigen Federvieh zu benennen.«
Nicole winkte ab. »Ich schreib dir den Namen noch mal auf, zum Auswendiglernen. Gryf ist jedenfalls eingeladen worden, mag der Himmel wissen wie. Und er fragt an, ob wir nicht auch kommen wollten. Nur so zum Spaß. Es könnte lustig werden, wenn praktische Vorführungen in die Hose gingen, meint er.«
Zamorra seufzte.
»Nici… weißt du, daß wir seit ein paar Tagen endlich mal wieder Ruhe haben? Und daß ich absolut keine Lust habe, schon wieder loszudüsen …«
»Aber ich«, verkündete Nicole. »Außerdem… vielleicht könnten wir wirklich einen Besuch bei unseren Freunden machen.«
Zamorra seufzte. »Läßt du mich wenigstens zu Ende lesen, ja? Wann zum Geier ist dieser sogenannte Kongreß überhaupt?«
***
Die drei Mädchen traten ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Süße siebzehn und achtzehn jung, standen sie am Straßenrand und warteten darauf, mitgenommen zu werden. Sie hatten sich vorgenommen, an diesem schönen und prachtvoll sonnigen Nachmittag die Ruine Geyerstain zu inspizieren, bloß war es bis dahin noch ein
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