0314 - Elektronische Hölle
»Sie brauchen mich nicht so erstaunt anzuschauen, das stimmt tatsächlich.«
»Aber es muß doch jemand…«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß mein Sohn seinen eigenen Weg geht. Er hat ein Hobby, da läßt er sich nicht stören. Tut mir leid, ich kann Ihnen nichts anderes sagen.«
»Dennoch müssen wir ihn sprechen.«
»Sie können es ja versuchen.«
»Gibt es Telefon in dem Raum?«
»Kann sein. Ich war seit dem Einbau der Multi-Wand noch nicht dort. Damals habe ich kein Telefon gesehen.«
Will nahm einen Schluck von seinem Orangensaft. »Können Sie uns den Weg vielleicht zeigen?«
Davon war Broicher nicht begeistert. »Können ja«, erwiderte er, »aber…«
»Und weshalb nicht?«
»Hören Sie, Kommissar. Wir feiern hier eine Party. Ich bin der Gastgeber und muß mich auch um meine Gäste kümmern. Das ist leider so, wenn man Leute einlädt. Ich zeige mich natürlich gern kooperativ. Jemand vom Personal könnte diese Aufgabe ebensogut übernehmen, falls Sie einverstanden sind?«
»Weshalb nicht?«
Walter Broicher stand auf. Die Zigarette warf er, ohne sie ausgedrückt zu haben, in einen Aschenbecher. »Ich werde Ihnen…« Er stockte und schaute auf die Tür.
Auch Suko und Will folgten der Blickrichtung. Die Tür war geöffnet worden. Der Kontrolleur hielt sie auf, und die beiden Polizisten sahen, wie Walter Broicher den Kopf schüttelte.
»Haben Sie was?« fragte der Kommissar.
»Eigentlich nicht. Ich wundere mich nur, daß dort jemand gekommen ist, den ich schon vermißte.«
»Wer ist es denn?«
»Einer meiner Leute. Harry Boßbach. Ich suchte ihn. Na, der wird sich wundern.«
Broicher wollte gehen, doch Will hielt ihn am Ärmel fest.
»Moment mal, bevor Sie hier Theater machen. Kann uns dieser Harry Boßbach nicht in Mikes Reich führen?«
»Ja, das geht natürlich.«
»Dann wäre ja alles klar.«
Broicher nickte und hob den rechten Arm. »Harry.« rief er. »Kommen Sie mal her!«
Boßbach mußte die Stimme gehört haben, er kümmerte sich nur nicht darum. Schnurstracks ging er in die Empfangshalle. Seine Bewegungen waren nicht so glatt und sicher wie die eines normalen Menschen.
Walter Broicher wäre das nie aufgefallen. Suko und Will Mallmann jedoch kannten sich aus. Sie warfen sich einen Blick des Einverständnisses zu, und der Inspektor legte seine Hand auf den Griff der Dämonenpeitsche.
Harry Boßbachs Ziel war die Garderobe. Dort warteten zwei Frauen, die sich um die Mäntel der Gäste gekümmert hatten. Auch sie starrten auf Boßbach.
Näher und näher kam er.
Einmal knickte er ein, fing sich wieder und schaute nach rechts.
Die Männer sahen sein Gesicht. Ihnen fiel die unnatürliche Blasse auf, auch die schmutzige Kleidung und der feine rote Streifen, der aus dem Mund rann.
Das sah nach Blut aus.
»Verdammt!« flüsterte Suko. »Das ist ein Zombie.«
Er hatte das Wort kaum ausgesprochen, als er und Will starteten.
Vielleicht hatten sie schon zu lange gezögert, denn Boßbach stand bereits an der Garderobe. Er war mit seinem Körper gegen den aufgebauten Tresen gestoßen und starrte aus großen Glotzaugen die beiden Frauen an.
»He, was wollen Sie!«
Da kippte Boßbach nach vorn. Plötzlich konnte er seine Arme ausstrecken, und die griffbereiten Finger packten die in der Nähe Stehende an den Schultern. Der Zombie riß die Frau nach vorn. Sie fiel ebenfalls über den Garderobentresen und ihm entgegen. Ihr Gesicht zeigte Schrecken, ein leiser Schrei drang über ihre Lippen, und sie wäre verloren gewesen.
Der Zombie hätte so reagiert, wie Mike Broicher es in seinen schlimmen Filmen sah.
Suko war schneller.
Die gekrümmte Karatefaust sichelte durch die Luft und traf den lebenden Toten hart.
Sie konnte für ihn keine Bewußtlosigkeit bringen, aber der Treffer schleuderte ihn zu Boden.
Auf den Rücken fiel er. Er hatte die Beine angewinkelt. Durch den Schwung drückte er sie noch in die Höhe, stierte den vor ihm stehenden Suko an und bekam mit, wie dieser die Peitsche zog und einmal einen Kreis über den Boden schlug.
Drei Riemen rutschten hervor.
Boßbach walzte sich auf die Seite. Er tat es schwerfällig, wollte in die Höhe kommen. Das ließ Suko nicht mehr zu. Mallmann und Walter Broicher hörten ein Pfeifen und sahen die drei Riemen auf den Körper der lebenden Leiche klatschen.
Die Dämonenpeitsche war eine starke Waffe. Ihr konnten hohe Schwarzblütler nichts entgegensetzen, und ein Zombie erst recht nicht.
Die lebende Leiche hatte noch ihren Arm gehoben
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