0315 - Der Mörder
Abschaum der Bowery, der Bronx und von Haarlem. Unter diesen Umständen wäre er nicht mehr gewesen, als ein kleiner Gangster wie hundert andere, die auf tauchten, eine Bande ein paar Jahre oder auch nur Monate führen, und dann von den Cops hochgenommen werden.
Was Stowe gefährlich machte, war seine persönliche Energie, seine rücksichtslose Brutalität und die Tatsache, dass er sich nicht scheute, schmutzige Arbeit mit eigenen Händen zu erledigen.
Er ließ sich durch unser Erscheinen nicht abhalten, den Billardstoß zu platzieren, mit dem er sich gerade beschäftigte.
Dann erst setzte er das Queue ab und knurrte uns an: »Welche Sorte von Schnüfflern seid ihr?«
»FBI«, antwortete ich.
Ein kurzes Zucken seiner Augenbrauen verriet, dass er sich der Gefahr bewusst war, die in den drei Buchstaben steckte.
»Hohe Ehre für ’nen kleinen Mann. Lew, gib den Jungs einen Drink.«
»Keinen Drink für uns«, lehnte ich ab. »Stowe, wir haben deine Freundin, Celia Seado, vor drei Stunden festgenommen.«
Die Nachricht traf ihn. Er biss die Zähne zusammen, dass seine Backenmuskeln vorsprangen.
»Wo? Warum?«, stieß er hervor.
»In der Wohnung eines Mannes, der allgemein als der Mörder bekannt ist.«
Stowe legte das Queue langsam auf das grüne Tuch und wich einen halben Schritt zurück.
Seine Leute verstanden die Geste ihres Chefs richtig.
Vier Burschen, die eine Pokerpartie spielten, ließen die Karten aus den Händen gleiten und drehten sich auf ihren Stühlen zu uns um.
Zwei andere standen auf.
»Sie sagt, dass du sie hingeschickt hast«, bluffte ich.
»Stimmt nicht«, knurrte Stowe. Sein Blick blieb aufmerksam auf unsere Hände gerichtet. Es war klar, dass er sich einer Festnahme widersetzen würde.
»Da du den Mörder engagiert hast, scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass Celia Seado ihm ein wenig die Zeit vertrieben hat.«
»Stimmt auch nicht«, wiederholte er. »Ich habe ihn nicht engagiert. Kenne den Namen des Jungen nur aus den Zeitungen.«
***
Für Stowe war die Situation klar.
Wenn wir den Mörder lebendig gefasst hatten, wenn Lesly Crude gesprochen hatte, dann blieb ihm, Stowe, nur der Versuch, sich den Weg freizuschießen.
Aber sein Verhalten klärte die Situation auch für uns.
Offenbar wusste Stowe nichts davon, dass der Mörder entkommen war, sonst hätte er unsere nicht ganz wahren Mitteilungen gelassener hingenommen.
Eine kleine Pause entstand. Der Gangster sog die Luft ein wie ein witterndes Tief.
»Warum verhaftest du mich nicht, G-man, wenn du so genau weißt, dass ich einen Killer engagiert habe?«, fragte er lauernd.
Ich grinste ihn an.
»Mir macht’s keinen Spaß, einen Mann wieder laufen lassen zu müssen.«
»Ihr habt den Mörder also nicht gefasst?« Er musste sich Mühe geben, nicht erleichtert aufzuatmen.
»Aber Celia Seado fassten wir, Stowe, und sie hielt sich mit dem Mörder in einem Raum auf.«
»Ich habe sie nicht hingeschickt.«
»Das wird sich herausstellen. Ich hoffe, dass deine Freundin uns ’ne kleine Arie singt, in der dein Name einige Male vorkommt.«
Seine Haltung lockerte sich.
»Weiber reden leicht Unsinn«, sagte er. »Es genügt, ihnen einen Pelzmantel oder ein neues Kleid abzuschlagen, und sie rennen in der Gegend herum und erzählen haarsträubende Lügen. Ich kann alles widerlegen, was Celia euch erzählen sollte. Außerdem wird sie nicht singen. Sie weiß genau, was ihr blüht, wenn sie singt.«
Er trat bis auf einen Schritt Abstand an mich heran.
»Du besorgst Harkorts Geschäfte, G-man, was?«
»Ich besorge die Geschäfte des FBI.«
Seine Augen funkelten.
»Bestell Billy Harkort einen schönen Gruß und richte ihm aus, dass ich ihn hochgehen lasse, wenn er mich reinlegen will.«
»Ich glaube, das weiß er.«
Stowes Mund verzog sich zu einem triumphierenden Lächeln.
»Unseren kleinen Krieg muss Harkort auf ehrliche Weise austragen. Mich kann er nicht mit Tricks und Manövern ausbooten und unschädlich machen.«
»Was du ›ehrlich‹ nennst«,, antwortete ich kalt, »nennen wir Mord.«
Er stieß einen höhnischen Pfiff aus.
»Anscheinend steht das FBI auf Harkorts Seite!«
Ich lachte ein wenig. »Du irrst dich, Stowe. Du und Harkort, ihr gehört beide vor den Richter, und ich hoffe, der Tag ist nicht mehr fern, an dem ihr davor stehen werdet. Für heute habe ich eine offizielle Warnung für dich, Stowe. Lesly Crude, der allgemein der Mörder genannt wird, ist ein steckbrieflich gesuchter Verbrecher. Jeder, der ihn
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