0315 - Der Mörder
nicht ahnen. Entschuldigen Sie, Sir!«
Er trollte sich sehr schnell. Ich blickte noch einmal auf die Uhr. Zwei Minuten vor acht.
Zwanzig Minuten nach acht ließ ich den Rest einer weiteren Zigarette fallen und trat ihn aus. Bis zu diesem Augenblick hatte das Telefon keinen Piep von sich gegeben.
Im Schein der Straßenlaternen konnte ich unseren Wagen sehen, in dem Phil mit dem Hörer am Ohr lauerte, und unser Mann in der Zentrale und die beiden Techniker im Fernmeldeamt würden wahrscheinlich vor lauter unausgenutzter Sprungbereitschaft nahe an einem Muskelkrampf sein.
Zum Teufel, was war hier schief gelaufen? Hatte Chatwood gelogen? Oder hatte der Mörder Lunte gerochen?
War der Kerl, der kurz vor acht Uhr in die Zelle geplatzt war, ein Beauftragter gewesen?
Mir erschien das praktisch ausgeschlossen.
Der Mörder konnte es einfach nicht wagen, irgendeinen Mann ins Vertrauen zu ziehen.
Auf seinen Kopf stand eine Belohnung, und jeder kleine Ganove hätte nichts Eiligeres zu tun gewusst, als sich die Belohnung zu verdienen.
Durch die Glaswand der Zelle sah ich, dass Phil aus dem Wagen stieg und auf die Zelle zukam. Ich öffnete die Tür.
»Glaubst du, dass es keinen Zweck hat, länger zu warten?«
»Es hat keinen Zweck mehr«, antwortete er ernst. »Die Zentrale gab eine Meldung der City-Polizei durch. In der 24th Street, im Haus Nummer 632, ist ein Mann erschossen worden.«
***
Der Mann lag auf dem Podest der zweiten Etage mit den Füßen praktisch genau unter dem Türschild mit der Aufschrift: Jules Chatwood - Anwalt , sein Kopf hing schlaff über die erste Stufe der Treppe.
Die Mordkommission der City-Polizei arbeitete schon. Die Beamten hatten den Mann so liegen lassen, um die Fotos machen zu können.
Ein Standscheinwerfer tauchte die Gestalt in grelles Licht.
Die Augen des Mannes starrten blicklos in die Helligkeit.
Der Tote war nicht Jules Chatwood.
Es war Matthew Boswell, Berufskiller aus Chicago.
»Ziemlich klar, wie es passiert ist«, sagte Inspektor McFarth von der City-Mordkommission. »Wir haben einige Zeugenaussagen. Eine Frau und zwei Männer, die in den unteren Etagen wohnen, hörten die Schüsse und stürzten aus ihren Wohnungen. Sie sahen einen Mann in großen Sprüngen die Treppe hinunterrasen. Einer der Männer machte einen schüchternen Versuch, sich dem Mann in den Weg zu stellen. Er erhielt im Vorbeirasen einen Schlag mit einem harten Gegenstand, wahrscheinlich mit der Pistole, ans Kinn. Wir mussten ihn mit einem angebrochenen Kiefer ins Hospital schaffen. Immerhin haben wir genaue Beschreibungen. Der Mörder wird als überdurchschnittlich groß beschrieben. Seine rechte Wange soll verpflastert gewesen sein, und er habe in der linken Hand eine Aktentasche getragen. Wenn Sie meine Meinung hören wollen, Cotton, so ist hier eine alte Rechnung zwischen zwei Gangstern beglichen worden, denn der Junge«, er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf den Toten, »trug ebenfalls ’ne Kanone unter der Jacke.«
»Sie liegen mit Ihrer Vermutung richtig, Inspektor. Wir kennen den Toten, und wir kennen auch seinen Mörder. Die Zeitungsüberschriften werden lauten: Killer killt Killer. Haben Sie irgendwelche Verfolgungsmaßnahmen veranlasst?«
»Nein, denn es wäre sinnlos gewesen. Wir haben keine Hinweise, welchen Wagen der Mörder benutzte, und der erste Cop erschien erst sieben Minuten nach den Schüssen am Tatort.«
»Wie steht es um den Rechtsanwalt?«
McFarth musste sich ein Grinsen verkneifen.
»Der Dicke liegt in seiner Wohnung mit ’nem Nervenschock auf dem Kreuz. Ich weiß nicht, ob er auch in die ewigen Jagdgründe geschickt werden sollte. Jedenfalls durchschlugen drei Kugeln die Tür, und Chatwood bekam einen Kratzer an der Hand ab, nicht einmal von einer Kugel, sondern von einem Holzsplitter, aber er kippte sofort aus den Schuhen, und er war noch ohnmächtig, als wir kamen. Unser Doc brachte ihn auf die Beine.«
»Ich will ihn sprechen.«
Der Anwalt lag in einem Sessel wie ein ausgeknockter Boxer in seiner Ecke. Auf seine linke Hand hatte der Doc ein Pflaster gepappt. Im Übrigen war er unverletzt, aber er zitterte noch immer an allen Gliedern.
»Anscheinend haben Sie gerade noch einmal Glück gehabt, Chatwood«, sagte ich unbarmherzig. »Sie haben sich also mit Harkort rasch geeinigt. Haben Sie ihm erzählt, dass Celia Seado Sie angerufen hat?«
Er nickte schwach.
»Harkort geht nicht gern ein Risiko ein. Obwohl Sie ihm sicherlich erzählt haben, dass der Mörder
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