0316 - Krakenfluch
Angstschrei des Wissenschaftlers erstarb in einem Gurgeln, als er untertauchte.
Die Sprechmuschel des Transfunk pendelte lose in der Luft. Mit einem Satz war Michael Ullich auf dem Vorschiff.
Sabine Janner hörte, wie er eine Verwünschung ausstieß.
»Das Biest schwimmt genau zwischen uns und diesem Owen Masters!« rief er dem Mädchen zu. »Es will uns von ihm abdrängen. Na warte!«
»Was soll ich tun, Micha?« fragte Sabine Janner. In ihren blauen Augen flimmerte die nackte Angst.
»Drauflos!« knirschte Ullich. »Fahr einfach rein in das Biest. Und wenn es zehntausendmal der Teufel ist. Ich werde nicht zulassen, daß der Mann das Opfer dieses Ungeheuers wird.«
Aus der Ferne hörten sie Owen Masters brüllen. Michael Ullichs scharfe Augen erkannten, wie die Tentakel des Kraken langsam auf den Körper des Mannes zuglitten, der verzweifelte Schwimmbewegungen machte.
»Los, Mädchen! Volle Lotte!« brüllte Michael Ullich. Im selben Moment hatte der Krake erkannt, daß ihn das Boot angreifen wollte.
Der unförmige Schädel sank unter Wasser.
Mit rasender Geschwindigkeit glitt die »Angelina« über ihn hinweg.
Im nächsten Moment war es, als hielte ein gigantischer Anker das Boot fest. Obwohl sich der Bug wie in voller Fahrt steil nach oben bäumte, kam die Jacht nur noch in Zeitlupentempo vorwärts.
»Er hat uns, Micha!« erkannte Sabine Janner die Situation.
»Volle Drehung auf die Schraube!« knirschte Ullich und sprang zum Ruder. Er schob das Mädchen beiseite und bediente die Instrumente selbst.
Der Fahrhebel wurde auf »Äußerste Kraft« gedrückt. Wenn sich einer der Fangarme in der Schiffsschraube verfangen hatte, dann mußten diese jetzt durchgetrennt werden.
Doch statt dessen ringelten sich bereits drei Tentakel über die Reeling. Und der unförmige Schädel schob sich in grauenvoller Majestät aus dem Wasser.
Sabine Janner wagte es, zum Heck zu springen und über Bord zu blicken.
»Er ist nicht an der Schraube, Micha!« gellte ihre Stimme. »Er hat die Jacht so gepackt, daß ihm nichts geschieht. Wir sind verloren!«
»Verloren ist nur, wer sich selbst aufgibt!« knirschte Michael Ullich. »Ein Kämpfer wird immer versuchen, auch die aussichtsloseste Situation zu seinen Gunsten zu ändern. Und ich werde kämpfen!«
»Aber das ist dein Tod, Michael!« hauchte Sabine Janner und klammerte sich an ihn. Die Berührung seines Körpers gab ihr inneren Halt.
»Feiglinge sterben meistens zuerst, und wer den Tod fürchtet, der stirbt mehrmals!« sagte er eine seiner Lebensphilosophien. Dann küßte er sie auf den Mund und schob sie zurück.
»Über Bord mit dir, Mädchen!« sagte er entschlossen. »Versuche, die Insel zu erreichen und dich dort zu verbergen. Ich werde diesen animalischen Wackelpudding etwas beschäftigen, damit du eine Chance hast. Nun geh endlich, oder mein Opfer ist vergebens!«
Zögernd wich Sabine Janner zur Reling zurück. Michael Ullich beachtete sie jetzt nicht mehr. Sein ganzes Inneres war nur auf den Kampf mit der Bestie ausgerichtet.
Das Mädchen sah, wie er das Harpunengewehr in Hüfthöhe hob und den Schädel des Kraken anvisierte. Sie spürte, daß die Tentakel sich immer mehr um den Kopf der Jacht zusammenzogen und die Planken unter dem Druck der mächtigen Fangarme zersplitterten.
Die Aufbauten wurden deformiert und der kleine Mast für Antennen und Positionslampen knickte um. Krachend flog die Schiffsschraube aus der Halterung und landete im Wasser, wo sie gurgelnd versank.
»Intelligenz… das Biest hat Intelligenz!« erkannte Sabine Janner die Situation. Keine blindwütige Zerstörung, sondern langsames, systematisches Demontieren der Jacht. Ihre Hand verkrampfte sich um das Tauchermesser. Sie hätte viel darum gegeben, jetzt den Mut zu haben, an seine Seite zu springen und zu kämpfen. Doch die Furcht in Sabine saß zu tief.
Sie wagte es einfach nicht, mit Todesverachtung zu kämpfen.
Im nächsten Moment wurde sie aller Entscheidung, ob sie kämpfen sollte, enthoben. Denn in diesem Moment drückte Michael Ullich ab.
Zischend raste die Harpune auf den Schädel des Kraken zu und – versank darin. Die Harpune war kein Geschoß der modernen Zeit und der Krake war damit zu verletzen.
Im selben Moment begann der Krake zu toben. Fangarme peitschten unkontrolliert durch die Luft. Die Jacht platschte zurück ins Wasser und die See ringsumher kochte, weil der Polyp sie mit seinen mächtigen Fangarmen aufwühlte.
Michael Ullich stemmte sich mit den Füßen
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